Pilot Pirx
und geschrieben zu haben – der Stoß Papiere mit den Berechnungen war angewachsen. Im ersten Moment dachte Pirx, Langner meine das Abendessen, aber es handelte sich bereits um den Start. Pirx lud sich den vollgestopften Rucksack auf. Langners Tornister war noch größer und schwerer, er schien Steine zu enthalten. Später stellte sich heraus, daß außer Hemden und Toilettenartikel lauter Bücher darin steckten.
Ohne durch den Zoll zu müssen und ohne jede andere Kontrolle gelangten sie in das obere Niveau, wo eine Rakete auf sie wartete. Das ehemals silberfarbene, aber nun graue, dickbauchige Projektil stand auf drei gebogenen, gespreizten, etwa zwanzig Meter hohen Füßen. Es war nicht aerodynamisch geformt – es gibt auf dem Mond keine Atmosphäre. Mit solch einer Rakete war Pirx noch nie geflogen. Ein Astrochemiker sollte sich ihnen anschließen, aber er ließ sich nicht blicken. Sie starteten ohne ihn zur festgesetzten Zeit.
Aus dem Fehlen einer Atmosphäre erwuchsen besondere Schwierigkeiten. Man konnte keine Flugzeuge benutzen, keine Hubschrauber – nichts, außer Raketen. Nicht einmal die im schwierigen Gelände so bequemen Luftkissenboote waren zu verwenden. Raketen sind zwar schnell, sie können aber nicht überall landen, sie mögen weder Berge noch Felsen.
Das bauchige, dreibeinige Insekt heulte auf, dröhnte und raste kerzengerade in die Höhe. Die Kabine war etwa doppelt so groß wie das Hotelzimmerchen. An den Wänden leuchteten Illuminatoren, in der Decke war ein rundes Fenster angebracht, der Pilot saß nicht oben, sondern unten, fast zwischen den Auspuffdüsen, damit er die Landeplätze gut erkennen konnte. Pirx kam sich vor wie ein Gegenstand, wie ein Paket, das man irgendwohin schickte. Er kannte weder Grund noch Ziel der Reise – jedenfalls nicht genau –, und er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete. Das ewige Lied ...
Sie waren auf die Parabel gekommen. Die Kabine neigte sich schräg, sie schleppte die langen Beine hinter sich her. Unter ihr glitt die riesige gewölbte Mondscheibe dahin, der Erdtrabant sah aus, als habe ihn noch keines Menschen Fuß betreten. Im Raum zwischen Erde und Mond gibt es eine Zone, in der beide Körper gleich groß erscheinen. Pirx erinnerte sich noch genau des Eindrucks, den er bei seinem ersten Flug empfangen hatte. Die Erde, bläulich schimmernd, nebelverhangen, mit den verwaschenen Konturen der Kontinente, wirkte weniger real als der Mond, der wie ein Stein dahing, mit scharf hervortretenden Felsenreliefs. Sein statistisches Gewicht war nahezu fühlbar.
Sie flogen über dem »Meer der Wolken«, den Krater des Bullialdus hatten sie bereits hinter sich. Im Südosten lag der Tycho, umgeben vom Glorienschein seiner Strahlen, die über den Äquator bis auf die »andere Seite« reichten. Wie gewöhnlich herrschte in dieser beträchtlichen Höhe ein Eindruck vor, der sich schwer definieren ließ – eine übergeordnete Regelmäßigkeit schien diesen Felsentotenkopf geformt zu haben. Der Tycho war vom Sonnenlicht überflutet, er umfaßte und durchschnitt mit seinen weißlichen Armen das Mare Humorum und das Mare Nubium, und sein nördlicher Ausläufer, der größte übrigens, verschwand irgendwo hinter dem Horizont in Richtung Mare Serenitatis. Als jedoch im Osten der Zirkus des Clavius hinter ihnen lag und sie sich über dem Äquator herabzulassen begannen und schon auf der »anderen Seite« über dem »Meere der Träume« flogen, schwand in dem gleichen Maße, wie sich die Rakete senkte, die Illusion von der Ordnung. Die scheinbar glatte, dunkle Oberfläche des »Meeres« offenbarte nun ihre Risse und Spalten. Sie verloren ständig an Höhe, und nun zeigte der Mond aus der Nähe, was er in Wirklichkeit war – Hochplateaus, Ebenen, Krater und Ringberge waren gleichermaßen durch Trichter des kosmischen Bombardements aufgewühlt. Ringe von Felsresten, von Lava griffen ineinander über, sie durchdrangen einander, als ob jene, die diesen titanischen kosmischen Beschuß vollführt hatten, noch immer nicht mit der erreichten Zerstörung zufrieden wären. Ehe Pirx das Ziolkowski-Massiv erkennen konnte, stellte sich die Rakete, deren Geschwindigkeit durch das Einschalten der Triebwerke beschleunigt worden war, senkrecht auf. Das letzte, was Pirx zu sehen bekam, war ein Ozean der Finsternis, ein Ozean, der die ganze westliche Hemisphäre verschlang. Schon ragte hinter der Grenzlinie mit flammender Spitze der Lobatschewski-Gipfel hervor. Die Sterne im oberen Fenster
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