Pilot Pirx
Leuchtkugel in südlicher Richtung abgeschossen. Die Leuchtkugel selbst sah er nicht – die Station war im Wege –, er sah lediglich einen gespenstischen Widerschein, der die Felsabhänge erhellte. Sie tauchten aus der Schwärze auf und verschwanden wieder. Wie ein Affe kletterte er blitzschnell auf den Gipfel der Kuppel. Er hätte gern eine Leuchtkugel abgeschossen, aber er hatte keine Pistole bei sich. Er schaltete seinen Empfänger ein, hörte aber nur knackende Geräusche. Die Klappe war offen – Langner war also drinnen.
Ich Idiot! sagte er sich plötzlich. Das wird natürlich keine Leuchtkugel gewesen sein, sondern ein Meteor! Meteore kann man zwar nicht sehen, denn der Mond hat keine Atmosphäre, aber sie leuchten auf, wenn sie mit kosmischer Geschwindigkeit in die Felsen einschlagen.
Er sprang zur Kammer, verschloß von innen die Klappe. Das Einlassen der Luft nahm einige Zeit in Anspruch. Die Zeiger kletterten, bis der richtige Druck herrschte: 0,8 kg pro Quadratzentimeter. Dann öffnete er die Tür und stürzte in den Korridor. Im Laufen nahm er den Helm ab. »Langner!«
Schweigen ... Pirx, immer noch im Skaphander, rannte in die Küche – sie war leer. Auf dem Tisch die Teller für das Abendbrot, im Tiegel Eierkuchenteig, die Pfanne neben der eingeschalteten Flamme ...
»Langner!« brüllte er und warf die Klischees auf den Tisch. Er eilte zur Funkstation – sie war ebenfalls leer. Eine innere Stimme sagte ihm, daß es keinen Sinn habe, im Observatorium nachzusehen. Langner war draußen, und der Lichtschein stammte tatsächlich von Leuchtkugeln! Er hatte geschossen! Aber weshalb war er hinausgegangen?
Plötzlich erblickte er ihn. Der »Schmetterling« bewegte sich – sein Gefährte atmete, lebte. Der Radarstrahl erfaßte einen kleinen, scharfen Schein – im untersten Teil des Schirms! Langner ging zum Abgrund ...
»Langner! Halt! Halt, hörst du? Halt!« schrie er ins Mikrofon, ohne den Blick vom Schirm zu wenden.
Der Lautsprecher krächzte. Störungsgeräusche. Die grünlichen Flügel fächelten nicht mehr gleichmäßig wie bei einem normalen Atemvorgang – sie bewegten sich langsam, unsicher. Manchmal erstarben sie eine Weile, als ob Langners Apparat aufgehört habe zu arbeiten. Der scharfe Schein im Radar war bereits weit entfernt. Auf dem Koordinatennetz tauchte er ganz unten auf – das bedeutete, daß er anderthalb Kilometer in gerader Linie entfernt war, also bereits irgendwo zwischen den hoch aufragenden senkrechten Platten unter dem Sonnentor. Er bewegte sich nicht, er erschien bei jeder Drehung des Leitstrahls an der gleichen Stelle. War er gestürzt? War er bewußtlos?
Pirx rannte in die Druckkammer. Er war schon an der hermetischen Tür, da fiel ihm ein, daß er in der Küche etwas gesehen hatte, etwas Schwarzes auf dem weißgedeckten Tisch: die Fotoplatten, die er mitgebracht und achtlos hingeworfen hatte ... Betroffen stand er in der Kammer. Er hielt den Helm in der Hand und rührte sich nicht vom Fleck.
Genau wie damals ... Genau so! dachte er. Langner bereitet das Abendbrot und geht plötzlich hinaus ... Ich gehe ihm nach, und wir kehren beide nicht zurück. Die Klappe bleibt offen. In wenigen Stunden beginnt die Ziolkowski-Station, uns zu rufen. Niemand wird antworten ...
Etwas schrie in ihm: Idiot, geh! Worauf wartest du? Er liegt dort! Vielleicht hat ihn eine Lawine erfaßt! Hier drinnen kann man ja nichts hören ... Er lebt noch – er ist gestürzt, er kann sich nicht bewegen, aber er lebt, er atmet ...
Er stand da, ohne sich zu rühren. Plötzlich kehrte er um, stürzte in die Funkstation, sah sich die Zeiger genauer an. Alles war unverändert. Die »Flügel« des »Schmetterlings« bewegten sich nur noch im Abstand von vier bis fünf Sekunden – zitternd, unsicher, zögernd. Der Schein auf dem Radarschirm glomm am Rande des Abgrunds ...
Pirx überprüfte den Neigungswinkel der Antenne. Er war minimal. Sie erfaßte nicht mehr die nähere Umgebung der Station – sie sendete Impulse im maximalen Bereich.
Er hielt sein Gesicht dichter an den Atmungszeiger und erblickte etwas Merkwürdiges. Der grüne »Schmetterling« bewegte nicht nur die »Flügel«, sondern er zitterte ganz regelmäßig. Er schien nicht nur auf den Atemrhythmus von Langner, sondern auch auf einen zweiten, bedeutend rascheren, zu reagieren. Agonales Zittern? Konvulsionen? Langner lag im Sterben, und er, Pirx, starrte gierig auf die Bewegungen des Auges und verfolgte den doppelten Rhythmus der
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