Pinguine lieben nur einmal
empfände vielleicht nur Mitleid und Respekt für Janosch, überzeugt mich nicht.
Es ist mir selbst nicht leichtgefallen, mir das alles einzugestehen. Warum hätte ich dieses Gefühl akzeptieren sollen, wenn es in Wahrheit gar keine Verliebtheit ist?
Natürlich habe ich gewissermaßen Mitleid mit Janosch. Aber das habe ich ganz bestimmt nicht empfunden, als wir zusammen auf seiner Couch saßen. Da war er für mich einfach nur ein Mann, den ich kennenlernen wollte, weil ich mich so sehr zu ihm hingezogen gefühlt habe. Ich hatte nicht das Bedürfnis, mitleidig seine Hand zu tätscheln und ihm anzubieten, dass wir darüber reden. Ich wollte viel eher nahe an ihn heranrutschen, mein Gesicht an seine Schulter legen, die Zeit anhalten, Sterne gucken und andere kitschige Dinge.
Ich möchte mehr Zeit mit ihm verbringen. Dieser drängende Wunsch ist so dominant, dass er nichts anderes bedeuten kann, als dass ich verliebt bin. Sophie muss immer so vernünftig sein! Natürlich wäre es einfacher, wenn mir bei einem der nächsten Treffen auffiele, dass meine Gefühle doch mehr in Richtung Respekt und Achtung tendieren, aber allein der Gedanke an ein nächstes Treffen lässt ein dermaßen fettes Grinsen auf meinem Gesicht auftauchen, dass ich mir sicher bin: Diese Tendenz wird nicht eintreten.
Nur wie könnte ein zukünftiges Treffen aussehen?
Sobald wieder Neumond ist, könnte ich zu Janosch runtergehen und einen kessen Spruch loslassen. Etwas wie: »Naaaa, kannste auch nicht schlafen? Ich dachte, ich komme diesmal gleich zum Tee bei dir vorbei und versuche es gar nicht erst mit Rufus Beck!«
Ebenso gut könnte ich die Erotikschiene fahren und mit Ruf-mich-an-Hotline-Stimme fragen: »Wollen wir heute Nacht zusammen nicht-schlafen?«
Ach. Was ich alles könnte. Wer auch immer den Konjunktiv erfunden hat, der hat einen gut bei mir. Was ich in meinem Leben schon alles könnte, hätte, würde, sollte, müsste … Es ist so viel leichter, sich ein Hintertürchen offen zu halten, als ein für alle Mal das Leben in die Hand zu nehmen und eine bindende Entscheidung zu treffen. Vor bindenden Entscheidungen kann man nicht davonrennen, und wenn sie mich auf einen falschen Pfad geführt haben, muss ich dafür ganz alleine die Verantwortung tragen.
KAFFEE UND MANDARINE
Ich gebe mir eine Vorlesung über amerikanische Sklaven.
Warum genau bin ich noch mal hier? Weil ich am Anfang eines Semesters immer so tue, als wäre ich motiviert, und alles mitnehme, was geht, nur um nach der Anfangseuphorie bald die Lust zu verlieren? Stimmt. Das war’s.
Ständig geht es um benachteiligte Menschen: Schwarze in Amerika, Aborigines in Australien, Pakistanis in Großbritannien. Allesamt benachteiligt. Ist ja auch schlimm. Aber ich bin mir sicher, dass keine einzige dieser Problematiken dadurch gelöst wurde, dass man sie in Bildungseinrichtungen totgeredet hat. Auch ich fühle mich manchmal ausgeschlossen, ungewollt und falsch behandelt. Warum gibt es über mich keine Vorlesung? Etwas wie »Felicitas Grün – Leben am Rande des Wahnsinns«. Warum macht das keiner? Weil es erstens niemanden interessiert und zweitens wie ein bonbonfarbener Frauenroman klingt.
Wie wäre es mit »Feli Grün: zwanzig Jahre zwischen Übergewicht und Überforderung«? Ach ja. Das klingt ebenfalls wie ein Frauenroman. Oder wie eine Reihe in der Bild -Zeitung.
Ich werde jetzt erst mal ein Käffchen trinken und in der Pause aus der Vorlesung flüchten. Ich bin so was von unmotiviert, das gibt’s gar nicht, noch nie ist mein Enthusiasmus so schnell wieder abgeebbt. Was mache ich jetzt?, frage ich mich, als ich mit dem heißen Styroporbecher vor dem Kiosk stehe. Mit Kaffee in der Hand ist man in der Bibliothek und im Computerraum höchst ungern gesehen. Ich könnte ja aus Versehen einen Tropfen verschütten und damit einen der Hochleistungs- PC s aus den späten Achtzigern zerstören. In die Mensa will ich nicht alleine. Nur einsame, verfressene Menschen gehen um Viertel vor elf alleine in die Mensa. Ich bin zwar einsam und verfressen, aber das muss ich deshalb noch lange nicht offen zur Schau stellen.
Da kommt mir mein Schulrülpskumpel Jojo entgegen. An seiner Seite läuft eine blonde Tussi, die ich nur deshalb Tussi nenne, weil sie gut aussieht. Sie läuft weiter, während er stehen bleibt und mir auf die Schulter trommelt.
»Hey ho, Jojo«, begrüße ich ihn.
»Hey ho, Miss Green«, grinst er mich an.
»Trinkste mit mir ’nen Kaffee?«, frage ich, was in
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