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Pinguine lieben nur einmal

Pinguine lieben nur einmal

Titel: Pinguine lieben nur einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyra Groh
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Hunger und bin dadurch erst recht mies drauf.
    »Ja, langweilige Vorlesung. Amerikanistik. Sklaven und so.«
    »Echt? Klingt ja kacke. Ich hatte ein Seminar bei Doktor Wossel. Ey Mann, der ist die geilste Dozenten-Sau on earth !« Steffi guckt lüstern und denkt wohl an hemmungslosen Dozentensex.
    Ich grinse falsch und denke nicht im Geringsten an die geilste Dozentensau on earth, weil ich Ernährungswissenschaftlern nichts abgewinnen kann. Egal ob on earth oder on sonst wo.
    Mir ist auch nicht ganz geheuer, dass Steffi diesen Ernährungskram studiert. Jedes Mal, wenn sie mich ansieht, stelle ich mir zwanghaft vor, wie sie in Gedanken einen Ernährungsplan für mich zusammenstellt.
    Ich bin ein von Vorurteilen zerfressener Mensch.
    »…und er studiert Grundschullehramt, ist das nicht süß?«
    »Mhm, was? Wer? Grundschule?«
    »Na, der Mirko. Mein Mitbewohner, wegen dem ich die Party geschmissen hab. Mensch, das war vielleicht ’ne Nacht, was? War eigentlich irgendwer nicht total blau?«
    Ja, Steffi, ich. Ich war nicht total blau. Und Janosch auch nicht.
    Menno. Jetzt ist er schon wieder in meinem fetten Schädel drin.
    »Noch mal zu Mirko. Grundschullehramt. Knuffig, oder?«
    »Ja. Echt. Voll knuffig.« Ja, wirklich. Absolut. So knuffig wie die Village People.
    »Wie sieht’s denn bei dir aus? Haste mal ’nen Freund?«
    Ob ich mal ’nen Freund habe? Das klingt ja, als würde sie mich nach ’nem Tempo fragen. Oder ’nem Euro. Oder ’nem Tampon.
    »Ich? Ja. Also nein. Ich konzentriere mich auf mein Studium.«
    »Kenn ich. Hey, guck mal da vorne! Das ist doch der aus der Eins. Du weißt schon, der Blinde!«
    »Weiß gar nicht, wen du meinst«, schmolle ich und versuche, nicht hinzusehen, wie Janosch dicht gefolgt von seiner Kunstpädagogin zur Bushaltestelle kommt. Als er da mit dem Teleskopstock läuft, erscheint er mir für einen Augenblick wie der, zu dem ihn Steffi soeben ernannt hat: der Blinde. Beinahe hilflos.
    Sie kommen in Hörweite. »Meine Handynummer hast du ja jetzt. Kannst immer anrufen, wenn du Hilfe brauchst. Einen Raum nicht findest oder so.«
    »Jaja, ist schon klar. Ich melde mich, wenn ich Gassi geführt werden muss. Wer hat dich überhaupt geschickt?« Hilflos? Sagte ich hilflos? Ich glaube, solange Janosch nur so vor Sarkasmus strotzt, wird er nie hilflos wirken. Im Gegenteil. Es gibt ihm diese Scheißegal-Aura, die ihn überdurchschnittlich stark auftreten lässt. »Die Fachschaft? Das Studentenwerk? Irgendeine Behindertenhilfe?«
    Die Kunstpädagogin druckst herum. »Deine Mutter.«
    Janosch dreht sich zu ihr um und starrt sie an. Sozusagen. »Was?«
    »Unsere Mütter kennen sich. Meine ist Linda Räumer. Doktor Linda Räumer.« Die gestiefelte Kunstpädagogin entstammt einem Akademikerhaushalt? Ihre Mutter hat einen Doktortitel? Wahnsinn. Ich bin echt von Vorurteilen zerfressen.
    Bei Janosch löst der Name eine Reaktion aus. Er krallt die linke Hand in die Haare und sagt zu Kunstpädagogin Räumer: »Wie viel zahlt sie dir?«
    »Das darf ich dir nicht sagen«, das Kaugummi-Mädchen guckt verlegen.
    »Ach? So viel? Ist egal. Betrachte dich als gekündigt.«
    Der Bus fährt vor, und Janosch dreht sich von ihr weg. Ich stehe nur wenige Schritte neben ihm und blicke ihn gebannt an. Ich kapiere gar nichts mehr, dabei wäre es ungemein hilfreich, Janosch zu verstehen.
    Ob ich ihn ansprechen soll?
    Um ihn herum hat sich ein Kreis gebildet. Niemand kommt ihm nahe. Alle lassen ihn zuerst in den Bus steigen und sich setzen. Als ich an seinem Sitzplatz vorbeilaufe, sehe ich, wie er den Kopf nach mir dreht und mein Blick seine Augen trifft. Er lehnt den Kopf gegen die Scheibe und schirmt das Gesicht mit den Händen ab.
    »Setz dich zu mir, Feli!«, brüllt mir Steffi entgegen und winkt.
    Ich quetsche mich zu ihr in den Zweiersitz.
    Janoschs Blick bewegt sich keinen Millimeter, als Steffi meinen Namen ruft. Ich werte das als Absage. Als einen Mangel an Interesse. Als einen heftigen Stoß in die Magengegend. Eine Aufforderung an mein Zentralnervensystem, sofort Wasser in die Tränendrüsen zu pumpen und die Schotten zu öffnen.
    Als Janosch eine Station früher aussteigt, sehe ich ihm fragend hinterher. Ein kurzer Ruck geht durch meinen Körper, als wolle er aufspringen und ihm hinterhereilen. Aber ich halte ihn zurück.
    Ich fahre weiter bis nach Hause, Steffi stößt mich aus dem Bus und hakt sich bei mir unter. Das ist eine Geste, die ich nicht besonders gut leiden kann.
    »Ich muss noch mal kurz

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