Pinguine lieben nur einmal
die Spitzen gegen meine Lippen und spürt und hört bestimmt ganz deutlich meinen schnellen Atem.
»Bist du nervös?«, fragt er und bestätigt meine Befürchtung.
Ich rutsche näher zu ihm, ich kann nicht anders, und brauche das Gesicht nur wenige Zentimeter nach vorn zu strecken, bis ich meine Lippen auf seine pressen kann.
Ich küsse nur kurz seinen Mund. Janosch tut nichts. Ich sehe in seine graublauen Augen und bin plötzlich so durcheinander, dass ich vom Sofa aufspringe, mir meinen Ordner schnappe und »Gute Nacht« wispere. Damit rase ich aus der Wohnung.
WO KEINE KRISE, DA KEINE KRISENSITZUNG
Freitags sitzen Cem, Sophie, Kirsten und ich am Küchentisch und trinken Kakao.
»So– und warum hast du jetzt eine Krisensitzung einberufen?«, fragt Sophie.
» HAST DU MIR NICHT ZUGEHÖRT ?«, rufe ich und kralle die Hände in die Haare.
»Okay, du hast ihn geküsst, aber das ist keine Krise, und wo keine Krise, da keine Krisensitzung.«
»Natürlich ist das eine Krise!«
»Das ist wirklich eine Krise. Du hast sie nämlich nicht mehr alle. Kaum eine Stunde, bevor du ihn geküsst hast, hast du noch wegen ihm heulend in meinem Auto gesessen«, Cem ist verwirrt und verärgert. »Der Typ ist total unverantwortlich! Kommt erst vorbei, um uns um Hilfe zu bitten, als er schon halb verblutet ist.«
»Jetzt übertreibst du.«
Die drei finden nicht, dass es allein meine Schuld ist, dass er sich die Hand aufgeschnitten hat, obwohl es mein Ordner war. Cem behauptet sogar, dass ich das nur denke, weil Janosch mir mit seinen dummen Sprüchen immer so ein schlechtes Gewissen einrede.
»Jetzt helft mir doch mal bitte. Ich. Bin. Verzweifelt. Ihr habt sein Gesicht nicht gesehen, als ich ihn geküsst habe. Es war komplett ausdruckslos. Ich muss ihm möglichst plausibel erklären, warum ich das getan habe. Schließlich kommt er heute Abend hierher! Wenn er überhaupt kommt …«
Wir sammeln Erklärungsmöglichkeiten.
Mein Vorschlag: Ich sage einfach für heute Abend ab. Natürlich nicht persönlich. Cem wird ihm die Tür öffnen, sollte er kommen, und ihm ausrichten, dass ich eine schlimm ansteckende Krankheit habe. Die Beulenpest zum Beispiel.
Cems Vorschlag: »Das werde ich ganz bestimmt nicht tun! Du wirst ihm selbst absagen. Vergiss den Trottel!«
Mit diesem Vorschlag bin ich überhaupt nicht einverstanden, weil ich glaube, dass er meine Chancen auf weichgezeichnete Sepiaintimitäten etwas verringert.
Kirstens Vorschlag: »Sag ihm die Wahrheit! Erklär ihm, dass du ihn magst.«
Das ist ja wohl das Allerblödeste, was ich jemals gehört habe. Ich kann ihm doch nicht einfach sagen, dass ich ihn mag. Das wäre ja nicht mal die Wahrheit, sondern eine infame Untertreibung!
Sophies Vorschlag: »Nein, das ist alles Quatsch. Ich hab’s: Du behauptest, dass es ein Versehen war. Dass es dir so rausgerutscht ist, weil ihr euch so nahe wart und du diese Nähe schlicht mit etwas Intimerem verwechselt hast.«
»Und warum?«, will ich wissen.
»Na, weil du schon lange niemandem mehr so nahe warst und es nicht mehr gewohnt bist.«
Na super! Sophies Idee hat anfänglich sehr durchdacht geklungen, aber ich kann Janosch schlecht auftischen, dass ich an akutem Näheentzug leide und ihn deshalb aus Versehen geküsst habe.
»Also, ich bin immer noch für meinen Vorschlag.«
»Das kannst du so was von vergessen«, schimpft Cem und springt vom Stuhl auf. »Ich weiß ganz genau, dass du die Verabredung gar nicht abblasen willst, also solltest du dich jetzt vielleicht mal langsam fein machen.«
Wie recht er hat. Nie im Leben sage ich ab. Und mit dem Feinmachen hat er auch recht.
FÜHLEN IST DAS A UND O
Das fällt mir gerade auf. Es ist völlig egal, wie ich aussehe, viel wichtiger ist, wie ich mich anfühle. Und wie ich rieche.
Nach dem Duschen bin ich babypopoglatt an allen Stellen, an denen ein Mädchen bei einer Verabredung babypopoglatt sein sollte. Meine Haare sind nach Spülung, Kurpackung, Föhn und Glätteisen weich, seidig und kein bisschen strubbelig. Ich besprühe mich mit dem Parfüm, das dazu geführt hat, dass Janosch mich im Hinterhof erkannt hat. Angezogen bin ich ganz schlicht: Jeans und Langarmshirt. Jetzt heißt es also warten. Warten.
Warten…
Ich weiß es: Er wird gar nicht kommen! Ich habe ihn in die Flucht geküsst. Bestimmt, ganz bestimmt ist er ebenfalls nach Kanada geflohen, noch bevor ich ihm die Erklärung liefern konnte, für die ich mich entschieden habe: Sophies. Ich erzähle ihm einfach, dass
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