Pinguine lieben nur einmal
sich mir in den Weg stellt, als ich weiter meines Weges gehen will.
»Wir demonstrieren nicht, wir streiken«, pampt sie mich an.
»Okay, und wogegen?«
»Nicht nur wir streiken, sondern alle! Du solltest auch streiken! Dagegen, dass wir, die Studenten, vom Staat und vom Bildungssystem in den Arsch gefickt werden!«
BITTE WAS ?
Als ich sie schockiert anblicke, brüllt sie mich an: »Revolution ist das Mittel der Mittellosen!«
»Ich bin aber gar nicht mittellos!«, brülle ich zurück. Noch habe ich nämlich ein Dach über dem Kopf und ein bisschen Kohle auf dem Konto. »Wogegen streiken wir denn genau?«
»Na, gegen alles! Gegen das Bachelor-Master-System, gegen zu volle Hörsäle und vor allem gegen die Studiengebühren!« Das letzte Wort schreit sie.
Ich bedenke sie mit einem letzten kritischen Blick und wende mich dann von ihr ab. Ich verstehe den Inhalt dieses Streikes nicht genau. Mich beschleicht die Vermutung, dass es den Studenten, die hier einen gemütlichen Stand mit Waffeleisen und Kaffeemaschine errichtet haben, mehr darum geht, den Betrieb aufzuhalten und Rambazamba zu machen. Wir müssen an unserer Uni gar keine Studiengebühren zahlen. Und die Sache mit den überfüllten Hörsälen wird ihnen im Kultusministerium niemand abnehmen, wenn sie auch nur einen Blick in die Benachteiligte-Menschen-Vorlesung werfen, deren Besucherzahl sich von Woche zu Woche halbiert. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Streikenden um eine der raren, übrig gebliebenen Magisterstudenten. Das würde bedeuten, sie hat mit dem Bachelor-System ungefähr so viel zu tun wie ich mit Geräteturnen.
Dass die Nonkonformisten mir meine statistische Chance vermasseln, Janosch im Haus E über den Weg zu laufen, macht mich ziemlich sauer auf sie. Ihn zu treffen, wäre ein willkommener Anlass gewesen, die nächste Vorlesung nicht zu besuchen.
Die Wut verfliegt jedoch, als ich erfahre, dass die Vorlesung gar nicht stattfindet, weil allen Studierenden die Gelegenheit gegeben wird, die Vollversammlung der Nonkonformisten zu besuchen, um sich ihre Argumente anzuhören. Ein türsteherähnlicher Mann in Schottenrock lädt mich ein, daran teilzunehmen, weil Wir müssen was verändern! Wenn ich einer von diesen konformen Feiglingen sei, könnte ich gleich nach Hause gehen. Als ich mich abwende, ruft mir der Schotte hinterher: »Wegen Leuten wie dir haben wir diese scheiß Verhältnisse, ehrlich mal. Du bist ein Feigling mit ’nem beschränkten Weltbild!«
Das mag sein, aber dafür bin ich ein weltbildbeschränkter Feigling mit vorzeitigem Feierabend.
Ich fahre heim. Weil es erstaunlich viele Feiglinge gibt, die mein beschränktes Weltbild teilen und die Möglichkeit, die Vollversammlung zu besuchen, nicht wahrnehmen, ist der Bus brechend voll. Die Heizung ist zu stark aufgedreht, und ich beginne in meinem wettertauglichen Windbreaker zu schwitzen. Eingequetscht stehe ich zwischen vielen schnatternden Menschen und freue mich, dass Kirsten nur wenige Zentimeter neben mir eingequetscht ist.
»Na, Feli«, grüßt sie mich, »was gibt’s Neues?«
Was soll ich darauf antworten? Dass ich mich frage, wie es die Nonkonformisten rechtfertigen wollen, dass wegen ihres Einsatzes für bessere Bildung meine Vorlesung ersatzlos ausfällt? Dass ich Janosch seit Tagen nicht gesehen habe? Dass ich wegen meiner mangelnden sexuellen Erfahrung Minderwertigkeitskomplexe entwickle? »Ach, alles beim Alten.«
»Also haben Janosch und du noch nicht gesprochen?«
»Nope.«
»Du solltest zu ihm gehen. Das wird bestimmt gut mit euch. Ein Kuss ist immerhin ein Kuss. Wie du ihn beschreibst, schätze ich Janosch so erwachsen ein, dass du mit ihm darüber reden kannst, wie es mit euch weitergehen soll.«
Beim Klinikum steigt Cem in den Bus ein, und wir beschließen, zusammen zu Mittag zu essen.
Es gibt Nudeln vom China-Mann um die Ecke, und danach gibt es ein bisschen Tratsch. Cem zwingt mich schließlich, die China-Mann-Pappschachteln gleich runter in den Müll zu bringen.
»Warum bringst du das Zeug denn nicht selbst runter, wenn dich der Anblick so sehr stört?«
»Soll ich dich daran erinnern, dass ich letztens für dich das Bad geputzt habe?«
Mist, ich dachte, das hätte er vergessen.
ERKLÄRUNGSNOT
»Hi, Feli!«, grüßt es, bevor ich auch nur einen Schritt ins Treppenhaus getan habe.
Unten vor Janoschs verschlossener Haustür stehen Simon und Janoschs Schwester Pia.
»Hallo«, grüße ich zurück, kann aber keins der beiden glücklichen
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