Pinguine lieben nur einmal
beiden Händen greift er flink und fest nach meinen Schultern. »Mensch, Feli. Du weißt doch gar nicht, was du fühlst. Du bist… Ach, du bist ein einziges Chaos!«
Na, endlich hat er das kapiert.
Ich mache ein Ich-reg-mich-auf-und-aus-meinem-Mund-entweicht-ein-Luft-Ärger-Gemisch-Geräusch.
»War es Schuldgefühl?«, fragt er.
»Nein!«
»Mitleid? Jeglicher Art?«
» NEIN !«
»Alkohol?«
»Nein, verdammt! Ich bin zwar lustig drauf nach zwei Gläsern, aber nicht willenlos!«
»Also war es Befriedigung von Begierde?«
Ich antworte nicht, sondern starre ertappt vor mich hin und wippe unschlüssig mit dem Oberkörper.
»Sei fair und antworte.«
Ich zögere und flüstere dann: »Vielleicht.«
Janoschs Hand legt sich auf mein Gesicht. Ich drücke die Wange dagegen. Bitte küssen, bitte! Ich will ihm so gerne nah sein. Will ihn anschreien, er solle mich gefälligst an sich ziehen.
»Gut. Hör mir mal zu«, antwortet er dann in einem Tonfall, der mein Herz in tausend Splitter zerbersten lässt. Ich weiß genau, was jetzt kommt: eine Abfuhr vom Feinsten. Eine, die so sehr wehtut, dass man denkt, das sei das Schlimmste, was einem bisher passiert ist, und dass es auch immer das Schlimmste bleiben wird. Außerdem denkt man, dass es schlimmer, ja sogar viel schlimmer ist als damals, als man diesen Gedanken zuletzt gedacht hat.
»Ich würde jetzt gerne sagen, dass du es noch mal machen sollst, aber…«
»Ist schon okay«, unterbreche ich ihn. Ich versuche Schadensbegrenzung zu leisten. Wenn er es nicht ausspricht, wird es vielleicht nicht so schlimm.
»Nein, du verstehst das falsch. Ich kenn dich doch gar nicht richtig.«
»Wer ist mein liebster englischer Autor?« Wir haben darüber gesprochen.
»Das meine ich nicht mit kennen. Ich kann viel über dich auswendig lernen, aber…«
Ich spüre, wie er mir über die Haare streicht, und ziehe mich von ihm zurück. Ganz oder gar nicht.
»Du hast mich wirklich falsch verstanden, Feli. Ich würde dich echt gerne küssen, nur bin ich mir nicht sicher, ob ich es aus den richtigen Gründen tun würde.«
Ob ich ihm sagen soll, dass es mir gerade so was von egal ist, ob er mich aus den falschen oder den richtigen Gründen küsst? Glaubt er wirklich, dass mich Moral jetzt auch nur im Geringsten interessiert? Ich will, dass er mich ausnutzt, wenn ich dafür bei ihm sein darf. So bin ich eben. Ich würde mir die Ohren zuhalten und laut Lalala singen, wenn er mir sagt, dass er nichts von mir will, solange er mich dabei nur festhält. Ist das jetzt dumm? Mag sein, aber das bin ich.
Mir fallen sofort die Beatsteaks ein: »Use me, soothe me, hold me tightly. Take me, break me, feel me, steal me, tap me, wrap me and fly me to the moon.« Ich weiß, warum ich gerne Musik höre, man muss sich ihr gegenüber nicht rechtfertigen, sie weiß immer, was man meint, und findet die richtigen Worte.
»Was denkst du?«, fragt er mich blöderweise.
Als ob ihn das was anginge! Trotzdem antworte ich. Ich sage ihm laut die Verse auf, an die ich gedacht habe. Und ergänze: »Das ist E-G-O von den Beatsteaks.«
»Ich weiß«, antwortet er, »aber zitiere nicht so was. Als ob du willst, dass ich dir wehtue.«
Nein. Das will ich ja gerade nicht. Aber jetzt, wo es sowieso schon wehtut, kann er mir wenigstens dabei nah sein.
»Wann weißt du, ob du es aus den richtigen Gründen machst?«, frage ich. Wenn ich schon warten muss, will ich wenigstens wissen, wie lange.
Er grinst und streichelt meine Wange. Warum ist er nicht so moralisch anständig und lässt das bleiben?
Plötzlich wechselt er abrupt das Thema und fragt: »Wann kommt Cem wieder? Ich wollte ihn fragen, ob er mir den Verband wechselt.«
Na super, er redet von Cem. Als ob es nicht tausend andere Gesprächsthemen gäbe. Ich falle auf mein Bett und antworte stöhnend: »Weiß nicht.«
Janosch setzt sich und legt sich dann neben mich auf den Rücken.
»Mark Twain im Amerikanischen und Oscar Wilde im Englischen«, sagt er plötzlich. »Und du bist froh, dass noch nie jemand von dir behauptet hat, dass du some brainless beautiful creature seist. So wie es Sir Henry über Dorian Gray sagt.«
Er jagt mir zuckersüßen Schmelz über den Rücken. »Vielleicht solltest du aufhören, mir so genau zuzuhören.«
Er stützt sich auf dem Ellenbogen ab, sein Gesicht mir zugewandt. Ich sehe sein Lächeln, kann ihn riechen. Seine Haare fallen ihm ins Gesicht, er streicht sie weg.
»Sollte ich das?«, fragt er und rückt merklich ein
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