Pinguine lieben nur einmal
Singer-Songwriter-Ding. Ich… ähm… ich glaube, es wird gut. Bist du dabei? Ich hole dich um halb neun ab. Ich schenke dir die Karte. Du hast keinen Stress. Du kannst praktisch nicht nein sagen.«
Ich kann nicht nein sagen? Na ja. Wenn das Konzert jetzt ein Stück Schokotorte und/oder ein Leberkäsebrötchen wäre, dann könnte ich nicht nein sagen. Aber… ich weiß ja nicht. Janosch wäre mit Sicherheit auf mehr als einen von uns stinksauer.
»Plus zwei Cocktails, Feli. Komm schon, bitte!«
»Ich kann bei einem Konzert keine Cocktails trinken. Das ist nicht besonders stilecht.«
»Dann Bier, Feli. Zwei Bier. Drei! Fünf, wenn du willst!«
Ich freue mich dann doch über Simons Eifer und über die Aussicht auf Freibier und sage lachend: »Okayokayokay. Ich komme mit. Halb neun.«
»Geil. Dann, ja… dann bis dann.«
Geil ist ein stumpfes, sinnentfremdetes Wort. Ist es geil, mit mir auf schwedische Singer-Songwriter-Konzerte zu gehen? Im Ernst? Das kann mir keiner weismachen. Es ist nicht geil. Zumindest nicht geil im wortwörtlichen Sinne. Es ist bestenfalls toll. Wobei toll im Grunde auch nur ein anderes Wort für wahnsinnig ist.
Nach dem Auflegen gelingt es mir tatsächlich, zwei Stunden konzentriert und ertragreich zu arbeiten. Dann klingelt wieder das Telefon, und bei der erneuten Suche danach verkündet ein unheilvolles Knirschen, dass mein Wörterbuch unter meinem Hinterteil gerade einen langsamen, grausigen Tod stirbt. Der Schinken kostet ja bloß dreißig Euro. Warum also nicht ein paar Seiten herausreißen. Ich gönne mir ja sonst nichts.
»Ja?«, lautet mein Telefongruß.
»Kommst du runter?« Es ist Janosch. Er spart sich solche Telefonformalitäten wie Hallo, wie geht’s? oder Tschüss.
»Ich habe noch zu tun. English Literature. Blödes Referat.«
»Du schiebst es seit Anfang November vor dir her.«
»Ja, Mama, ich weiß, Mama.«
»Ich will dir keine Predigt halten.«
»Dann tu’s nicht.«
»Wann kommst du dann?«
»Ich… ich weiß nicht.«
»Was ist los?« Janoschs verdammte Daredevil-Fähigkeiten. Er weiß immer, dass was los ist, wenn was los ist.
»Nichts. Ich mache dann mal weiter mit dem Referat. Ich ruf dich an.«
Er legt ohne Verabschiedung auf.
Warum ich ihm nicht gesagt habe, dass ich mit Simon weggehe? Wenn ich das wüsste. Vielleicht weil ich eine gemeine, hinterhältige Kuh bin. Oder einfach deshalb, weil Janosch schon Amok gelaufen ist, als ich ihm gesagt habe, dass Simon mich am Sonntag besucht und seither mehrfach angerufen hat. Janosch feindet Simon ernstzunehmend an. Finde ich ein bisschen süß. Es ist einfach zu schmeichelhaft, wenn jemand wegen mir, MIR !, eifersüchtig ist. Trotzdem will ich es nicht unnötig anheizen.
Ich werde es ihm schon noch sagen. Aber vielleicht besser morgen, wenn es sowieso zu spät ist. Eigentlich will ich nicht lügen. Janosch anzulügen ist sowieso ein Ding der Unmöglichkeit. Ich will gerade zum Telefon greifen, um ihm die Wahrheit zu sagen, da geht meine Zimmertür auf, und Janosch steht im Rahmen.
»Hast du dich hergebeamt?«, frage ich.
»Ja, und danach habe ich einen Impfstoff gegen Aids erfunden.«
»Haha«, künstele ich. Witzig.
»Du hast mit dem Kindischsein angefangen.«
»Bist du schlecht gelaunt?«, frage ich ihn.
»Nicht schlechter als du.«
Er schlurft, ohne die Füße zu heben, über den Boden, um nicht hinzufallen, und kickt dabei stöhnend Bücher und Papiere aus dem Weg. Anders ausgedrückt: Er zerstört weite Teile meiner zweistündigen Arbeit, die darin bestanden hat, die Kopien ohne Seitenzahlen mit viel Rätselraten und Wortpuzzeln zu sortieren.
»Pass bitte mal auf da, Janosch. Das sind Uni-Bücher, und diese Zettel waren sortiert. Das war eine Heidenarbeit!«
»Räum deinen Kram halt weg. Warum legst du das Zeug überhaupt auf den Boden?«
»Weil ich so besser lernen kann. Und weil ich sonst nicht genug Platz habe. Das hatte schon alles seine Ordnung.« Ich springe vom Bett auf und versuche zu retten, was zu retten ist.
»Ordnung? Machst du Witze? Bei dir ist gar nichts in Ordnung, Feli. Dein Zimmer ist der größte Saustall, den ich je gesehen habe.«
»Haha«, wiederhole ich. Hat er es mal wieder geschafft, einen selbstironischen Wortwitz einzubauen.
»Was? Ich… oh, vergiss es einfach, Feli.«
»Was denn? Du hast doch wieder mit den Blindenwitzen angefangen!«
»Blindenwitze?«
MOOOOOOMENT . Cut. Zurückspulen. Was ist das hier? Schon wieder Streit? Warum denn nun diesmal? Wegen
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