Pinguine lieben nur einmal
konnte diesen bissigen Kommentar nicht rechtzeitig ersticken.
Janosch rollt von mir herunter und sagt leise mit den Händen über den Augen: »Ich kauf sie dir neu.«
»Nein. Ist. Schon. Okay.«
Ich schalte das Licht aus, damit ich das Chaos in meinem Zimmer nicht sehen muss. Scheiß Chaos.
Eine halbe Minute sagt keiner von uns beiden etwas. Dann flüstert Janosch: »Das hier sollte eigentlich eine Versöhnung werden. Ich dachte, ich bringe irgendeinen coolen Spruch über deine Harry-Potter -Sucht, und wir vergessen, dass wir uns angebrüllt haben.«
»Klingt gut.«
»Mir fällt aber keiner ein.« Wir fangen beide laut zu lachen an. Dann, endlich, anstelle cooler Sprüche, nimmt mich Janosch in den Arm und küsst mich.
CHAOS BLEIBT CHAOS BLEIBT CHAOS
Eigentlich zähle ich voller Vorfreude die Tage bis Weihnachten. Eigentlich. Uneigentlich muss ich eine Präsentation für English literature machen. Und das lässt sich nur schwer mit meiner Weihnachts- und Ferienlaune vereinbaren. Als ich nachmittags aus der Uni komme, habe ich zwar tonnenweise Kopien und ausgeliehene Bücher im Schlepptau, aber nicht einen Funken Lust, mich damit auseinanderzusetzen.
Schon nach zwei Stunden liege ich quer auf dem Bett in einem Meer aus Kopien, habe den Überblick mehr als verloren und werde wahnsinnig. Ich versuche einen Text zu ordnen, der keine Seitenzahlen hat, weil beim Kopieren aus dem übergroßen Sachbuch der untere Rand abgeschnitten wurde. Super, so etwas muss immer mir passieren, der Inhaberin eines leicht strapazierbaren Nervenkostüms.
Mein Handy klingelt. Es ist Simon. Bitte nicht auch noch Simon.
Er hat es sich zur Angewohnheit gemacht, mich täglich anzurufen, um zu fragen, ob ich ihn schon verpetzt habe, Stichwort: Geheimnis. Simon hat den James Bond in sich entdeckt und in Windeseile eine Codesprache entwickelt. Sein ständiges Nachfragen hat zur Folge, dass die ganze Geschichte um Janoschs Vater dauerpräsent in meinem Schädel ist und ich sie einfach nicht vergessen kann. Die Gefahr, dass ich es Janosch aus Versehen verrate, wächst mit jedem nervigen Anruf, aber das kann Simon so gar nicht nachvollziehen.
»Hallo, Feli. Geht es dir gut?«
Ja, mir geht’s super, nahezu blendend. Danke, Simon, wie nett, dass du fragst, ich FLIPPE nur gleich aus, weil ich beim Greifen nach meinem Handy, auf dem DU angerufen hast, mit dem Oberarm eine Seite (756) aus meinem Wörterbuch entfernt habe.
»Fantastisch, Simon, fantastisch.«
»Heute ist Freitag.«
»Sag bloß, ist ja ’n Ding.« Ich weiß das! Freitag, der achtzehnte Dezember, sechs Tage vor Heiligabend, dreizehn Tage vor Silvester, das heißt genau dreizehn Tage vor Janoschs Geburtstag. Und für keinen der beiden Anlässe habe ich bisher ein Geschenk besorgt.
»Das heißt, du ziehst es jetzt schon seit fünf Tagen durch, Janosch nichts zu sagen.«
»Rekordverdächtig.« Geradezu olympiareif.
»Was machst du?«
»Ein Referat«, murre ich.
»Schlecht gelaunt?«
»Mhm«, lautet meine aussageschwache Antwort. Mhm kann alles heißen.
»Brauchst du Ablenkung?«, fragt er.
»Ich brauche eindeutig weniger Ablenkung.« Ich lasse mich von allem und jedem ablenken. Etwa vom Muster meiner Raufasertapete oder vom Duft des Pfannkuchens, den Cem vorhin nur für sich zubereitet hat, der alte Egoist. Oder auch von der Weichheit meiner Kissen, die rufen: Komm, Feli, nur ein kleines Nickerchen. Aber nein. Nein, Konzentration.
»Ich mach dir ’nen Vorschlag, Feli.«
»Nur zu.«
»Du arbeitest jetzt bis, sagen wir, acht. Danach belohnst du dich.«
Belohnung klingt gigantisch. Belohnung klingt nach Spaß und Alkohol und Kalorien.
»Womit?« Spaß, Alkohol, Kalorien???
»Ich wollte dich fragen, ob wir zusammen weggehen wollen. Ich habe Konzertkarten, und zufällig ist eine übrig. Begleitest du mich?«
»Konzertkarten?« Simon, der Schlawiner. Mit Konzertkarten bin ich leicht zu überzeugen.
»Ja, ich wollte eigentlich mit Janosch hingehen, aber der hat abgesagt.«
»Warum?« Ich bin mir nicht sicher, ob es ratsam ist, dass ausgerechnet ich für Janosch einspringe.
»Angeblich hat er keine Lust. Es sollte eine Art verfrühtes Weihnachtsgeschenk für ihn werden. Ich wollte mal wieder einen netten Abend unter Freunden verbringen. Doch es ist ihm zu voll, zu viel Trubel und so.«
»Du hast es ihm geschenkt, und er hat abgelehnt?«
»Ähm. Ja, so ist er. Also, gehst du jetzt mit?«
»Was ist es für ein Konzert?«
»Zwei Typen aus Schweden. So ein
Weitere Kostenlose Bücher