Pink Christmas 2 (German Edition)
allerlei Geschenke, Schmuck aus Gold und Silber verstaut, die besten Handwerker seiner Heimat hatten ihn angefertigt. Man konnte nie wissen, wozu sie gut waren.
Nach geraumer Zeit spürte Melchior Müdigkeit. Als er sich in seine Räumlichkeit zurückziehen wollte, gewahrte er einen jungen Burschen, ein Kamel an der Leine. Nach Aussehen und Kleidung ein Junge aus guten Verhältnissen, tippte Melchior. Wenn ihn so einer begleiten könnte, wie kurzweilig würden dann die nächsten Tage werden!
Er mochte den Jungen.
Er hörte sein alterndes Herz wieder schlagen, was schon lange nicht mehr der Fall war, und er spürte, wie er sich erregte.
„He, wohin des Weges? Wie heißt du?“, fragte er in Griechisch.
Der Junge stutzte, drehte sich zu Melchior hin und sagte:
„Kaspar, ich suche heute Nacht eine Bleibe!“ Dem Tonfall nach könnte der Bursche aus Babylon kommen. Ihm zugewandt, meinte der Magier, die Stadt wäre voller Menschen. Unterkünfte? Fehlanzeige … Ausgebucht. Er könnte heute Nacht bei ihm kampieren, wenn sein Alter ihn nicht stören würde. Etwas zu essen hätte er auch, Wasser und Wein warten nur auf Gäste.
Der Junge sah den Alten wohlwollend, aber ernst an. Er hatte gelernt, mit Fremden vorsichtig zu sein, weil viele von ihnen etwas im Schilde führten, wie sein Vater gesagt hatte. Dieser wäre das religiöse Haupt seines Reiches und Sterndeuter. Er, Kaspar, hätte darin schon einiges gelernt, er wäre auf dem Weg, ein Magier zu werden. Er sollte seine Fähigkeiten unterwegs erproben.
Kaspar griente hintergründig. Bestimmt nicht aus Verlegenheit, dachte Melchior. Was wird er vorhaben? Ob er Melchior mag? Der war in jedem Fall von ihm mehr und mehr eingenommen.
Unbewusst und von ihm selbst nicht gewollt, folgten Melchiors Augen den Konturen des jungen Mannes, blieben am Mund haften, der sich durch sein Grinsen beinahe von Ohr zu Ohr zog. Ob er den Alten auslachte?
In keinem Fall. Es war das unbeschwerte, ehrliche Lachen der Jugend.
Melchior wurde sogleich in die Zeit seiner Kindheit versetzt, in die des Heranwachsenden und fühlte sich dem fremden Jungen verbunden.
„Ich heiße Melchior und folge dem Stern, dessen Lichtstrahlen – heller als bei irgendeinem anderen Stern – nach Süden zeigen. Das ist mein Ziel!“
Kaspar hatte, wie Melchior, längst die Veränderung der Gestirne wahrgenommen. Morgen werde er weiterpilgern, ließ er Melchior wissen.
„Ich nehme fremde Gastfreundschaft immer nur kurze Zeit in Anspruch, man darf Gastgeber nie ausnutzen!“
Melchior, erfahren im Umgang mit Menschen, sagte nichts dazu, nahm sich aber vor, Kaspar aufzuhalten. Gesellschaft mit Gleichgesinnten mache das Leben spannender. Man musste es dem Jungen nur beibringen.
So geschah es.
Kaspar hatte Vertrauen zum Magier gefasst, in dessen gütige Augen, in sein behutsames Sprechen und in seine Unvoreingenommenheit. Melchior hatte keine verräterische Frage gestellt, kein Urteil über seine Herkunft gefällt und über sein Vorhaben.
Von Zuhause aus war Kaspar gewohnt, dem Alter Respekt zu zollen. Dessen Erfahrungen und Vernunft bilden eine Symbiose, hatte sein Vater gesagt. In diesem Augenblick sah er seinen Erzeuger in Gedanken vor sich, der ihm zulächelte. Das hieß, dass er Melchior folgen durfte.
Man rief den Stallburschen, der Kaspars Kamel wegführte.
Melchior winkte dem Jungen, der ihm in dessen Raum folgte.
Die wieder entfachte Öllampe spendete ein spärliches, aber genügend Licht. Kaspar sah das viele Gepäck.
„Warum?“, fragte er.
„Sieh mich an. Wäre ich so alt wie du, … bin ich aber nicht. Wie soll ich mich gegen Überfälle wehren?“
Kaspar setzte sich auf den Boden, seine Hand stützte seinen Kopf ab, er dachte nach. Nach einer Weile fuhr Kaspar hoch:
„Ich könnte dir helfen!“, stieß er aus, griente dabei und nickte mit dem Kopf.
Meinte der Junge sein Angebot ernst?
„Natürlich!” antwortete Kaspar.
Was für eine Schicksalswendung. Die Götter sind Melchior gnädig.
„Ich habe einige Waffen zum Schutz mitgenommen, außer dem …”
Kaspar griente noch immer.
„Du hast noch nicht geantwortet!”, ermahnte er Melchior, wobei er sich Mühe gab, energisch auszusehen, was nicht gelang.
„Stimmt. Ein alter Mann darf so etwas nicht verlangen!”
„Hast du doch gar nicht! Ich hab’s dir angeboten! Und?”
„Mir kann nichts Besseres passieren!”, murmelte Melchior. Als seine Augen feucht wurden, was dem jungen Mann nicht entging, träumte der Alte
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