Pink Hotel
Wir haben sie all unseren Freunden
weiterempfohlen«, fuhr Bianca fort.
»Danke, dass Sie mich eingeladen haben«, sagte ich. »Das bedeutet
mir viel.«
»Aber das ist doch selbstverständlich; wir waren so bestürzt, als
wir von Lilys Tod hörten. Wir haben es in der Zeitung gelesen.«
»Laurie Lee liest immer die Todesanzeigen. Das gibt ihr das Gefühl,
sie hätte an diesem Tag etwas erreicht«, sagte Bianca augenzwinkernd.
»In unserem Alter ist es eine Leistung, nicht zu sterben«, sagte
Laurie Lee.
»Wer hätte gedacht, dass wir eine unserer Pflegerinnen überleben
würden?«
»Waren Sie bei der Beerdigung oder der Totenwache?«, fragte ich.
»O nein«, sagte Laurie Lee, »Bianca hat neuerdings solche
Atemprobleme, und ich leide an dieser verdammten Arthritis. Wir haben die
Todesanzeige gesehen, so [213] haben wir davon erfahren. Wir haben Blumen
geschickt. Schöne bunte Blumen.«
»Wie lange hat sie hier gearbeitet?«, fragte ich und betrachtete das
opulente Durcheinander des Anwesens. Die Pudelfrau ließ uns jedenfalls nicht
aus den Augen, und der Hund selbst jagte hinter Blütenblättern her, die aus den
Bäumen über uns herabfielen und durch die windstille Luft schwebten.
»Vielleicht drei Jahre?«, sagte Bianca. »Aber sie hat natürlich auch
für andere gearbeitet. Man konnte viel Spaß mit ihr haben. Was war sie noch
gleich? Laurie Lee?«
»Temperamentvoll«, antwortete Laurie Lee.
»Sie hatte einen umwerfenden Sinn für das Absurde«, sagte Bianca.
»Das steht fest. Als wir beispielsweise noch ein bisschen mobiler waren, sind
wir immer zu Kirchenbesichtigungen gefahren, na ja, bunte Fenster, Altartafeln
und dergleichen. Einmal begleitete uns Lily auf einer besonders öden Fahrt, und
da gab es ein Schild – was stand da noch gleich?«
»Darauf stand: ›Dem Leid und Elend mit der Episkopalkirche
entfliehen‹«, sagte Laurie Lee. »Es ging um irgendwelche Reisen für
Gemeindemitglieder. Doch weil Lily sich langweilte, hat sie das Schild
gestohlen, und wir alle kamen im Auto aus dem Kichern nicht mehr heraus, weil
sie ›dem Leid und Elend mit der Episkopalkirche‹ entflohen war!«
Ich lächelte höflich, und die Zwillinge versanken für einen Moment
in ihren Erinnerungen.
»Man konnte Spaß mit ihr haben«, sagte Bianca. »So viel ist sicher.«
[214] »Wieso hat sie hier aufgehört?«, fragte ich.
»Nun, gegen Ende war es ein wenig unerfreulich«, sagte Bianca. »Oly
da drüben, die Sie reingelassen hat, ist unsere Haushälterin. Ist schon ewig
bei uns. Sie hat immer gesagt, Lily habe gestohlen – Sachen, die so
herumstanden, und Geld und was nicht alles, aber wir dachten, Oly wäre nur
eifersüchtig.«
»Doch wie sich herausstellte, hatte Lily wirklich gestohlen«, sagte
Bianca. »Nicht viel, wohlgemerkt, also keine Bange, und es machte uns
eigentlich nichts aus. Weiß Gott, wir haben genug Geld und haben ja nicht mal
bemerkt, dass sie ab und zu was mitgehen ließ, aber bei so etwas geht es
vermutlich ums Prinzip, und wir mussten sie wegschicken.«
»Es wäre gar keine so große Sache gewesen, aber wir hatten
Empfehlungsbriefe geschrieben, und wenn diesen Leute aufgefallen wäre, dass
Sachen fehlten, wäre es etwas peinlich für uns geworden.«
»Ich habe heute einige von denen angerufen, für die sie gearbeitet
hat«, sagte ich. »Sie wollten nicht mit mir reden.«
»Wen denn?«
»Ein paar Leute. Teddy Fink zum Beispiel«, sagte ich. »Aber er ist
tot. Ich sprach mit einer Frau, die über meinen Anruf recht ungehalten war.«
»Vielleicht die Tochter«, sagte Bianca. »Lily hat zur gleichen Zeit
für Mr Fink gearbeitet wie für uns. Dienstags und freitags war sie bei ihm, den
Rest der Zeit bei uns, sogar noch nach ihrer Heirat. Man erzählte sich so
einiges über diesen Mr Fink. Er hat sie sehr gemocht.«
[215] »Er hat sie vergöttert… Was man von der Tochter allerdings nicht
sagen kann.« Laurie Lee kicherte.
»Viele von denen, die Lily gepflegt hat, haben sie gemocht, genau
wie wir, aber natürlich kann man Personal nicht behalten, wenn es unehrlich
ist. Es geht einfach nicht«, sagte Bianca und kehrte fast entschuldigend die
Handflächen nach oben.
»Glaubst du wirklich, dass sie das über
ihre Mutter wissen will?«, sagte Laurie Lee zu Bianca und wandte sich dann
wieder mir zu. »Irgendwie haben wir sie noch immer gemocht, ja wirklich. Sogar
nachdem wir es herausfanden. Können Sie das verstehen? Es hat uns das Herz
gebrochen, sie entlassen zu müssen, und sie
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