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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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den Rauch von den Bränden in
den Hügeln und ein paar Männer an der Bushaltestelle, aber nicht den, der
meinen Rucksack geklaut hatte. Einen oder zwei hätte man mit ihm verwechseln
können, doch das sagte ich nicht laut. Ich biss mir auf die Unterlippe.
    »Vielleicht hab ich es mir nur eingebildet«, lenkte ich ein.
    »Vielleicht bist du einfach eine üble Rassistin, für die Menschen
anderer Hautfarbe alle gleich aussehen?«, zog er mich auf.
    »Ich bin keine Rassistin«, sagte ich.
»Ich hab ihn gesehen.«
    »Rassistin«, bekräftigte David, immer noch scherzend. Wir sahen uns
um, und plötzlich wurde David ernst. Er schaute mich von der Seite an, und ich
drehte mich zu ihm. »Manchmal glaube ich, du sagst mir nicht immer die
Wahrheit«, begann er. »Du kannst sehr verschlossen sein.«
    »Ich bin nicht verschlossen«, widersprach ich und hob die Arme zu
seinen Schultern. Ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen, um ihn einzuatmen
und mit ihm den harzigen Geruch der Bäume und die nächtliche Luft.
    »Kürzlich bin ich an dem Hostel vorbeigefahren, wo du eine Weile
gewohnt hast, und sah dich hineingehen. Was machst du dort noch?«
    »Ich habe Freunde da«, sagte ich, ohne zu zögern. »Ich habe mich mit
der Managerin angefreundet, Vanessa heißt sie. Hast du mir nachspioniert?«
    [263]  »Bewahrst du ihre Klamotten dort auf?«, fragte er. »Den Koffer?«
    »Hab ich nicht gesagt, dass sie weg sind?«, mein Herz schlug
schneller.
    »Ja«, sagte er, und ich stieß mich ab, um ihn auf den Mundwinkel zu
küssen. Er beugte sich runter, gab mir einen richtigen Kuss.
    Später in der Nacht, als wir beide nicht schlafen konnten, sagte
David: »Du hast mir nie den Rest deiner Geschichte erzählt, ab dem Moment, wo
du völlig verdreckt aufgewacht bist.«
    Es war die heißeste Nacht des Jahres, und die Brände breiteten sich
immer weiter aus, so dass die Luft wie eine zähe Flüssigkeit war und drückend
schwül. Wir hatten die Laken abgeschüttelt, und in der breiigen Hitze war unser
beider Haut klebrig. Wir ließen zwei Ventilatoren laufen, deren monotones Klicken
die Stille unterbrach. Ich dachte kurz nach, wälzte im Kopf Geschichten.
    »Ich bin also völlig verdreckt«, sagte ich, »und noch ganz schön
angeschlagen von den Drogen, die sie mir über die Zigarette verabreicht haben.
Ein merkwürdiger Geruch liegt in der Luft, nach Blut und Schlamm.«
    »Unheimlich.«
    »Und ich höre Gackern.«
    »Gackern?«, er lachte.
    »Gackern und Muhen und Mähen, überall um mich herum.«
    »Eine Farm«, sagte er.
    »Soll ich jetzt die Geschichte erzählen oder nicht?«, [264]  fragte ich
und stieß ihn mit dem Ellbogen an, schlechtgelaunt und nervös von der Hitze.
    »Warum bist du auf einer Farm?«, wollte David wissen.
    »Es ist eher ein Schlachthof«, erwiderte ich. »Ein Großunternehmen,
das einem dicken reichen Mann mit massenhaft Ringen an den Fingern gehört. Er
selbst ist Vegetarier mit einem Faible für Kunst und Literatur. Er besitzt
mehrere Monets, einen van Gogh und eine Bibliothek mit Klassikern.«
    »Wer bewirtschaftet die Farm?«
    »Landarbeiter. Bewohner des namenlosen Dschungels in dem namenlosen
tropischen Land. Er behandelt die Einheimischen gut und hält sich nicht nur für
einen sehr gerechten Arbeitgeber, sondern auch für einen zivilisierenden
Einfluss. Er verleiht Bücher. Er zahlt anständig. Bevor er sein Fleischimperium
aufbaute, gab es kaum Arbeitsplätze. Jetzt gibt es für jeden Arbeitswilligen
eine Stelle. Selbst die Tiere leben gut in seinem Reich, sie werden mit dem
besten Futter gemästet und genießen, was er ›Freilandhaltung‹ nannte. Er hat
nur ein Problem.«
    »Und zwar?«
    »Er hat ein Geheimnis.«
    »Was für eins?«
    »Kann ich dir nicht sagen. Es ist ein Geheimnis.«
    »Ich mag keine Geheimnisse«, sagte er und sah mich an.
    »Na schön«, sagte ich. »Als der reiche Mann seine Laufbahn in der
Fleischbranche begann, überredete er [265]  seine Sandkastenliebe, ihn zu heiraten
und mit ihm auf die Farm zu ziehen. Leider hielt sie weder die Hitze noch die
Tropenkeime aus und starb binnen eines Jahres. Der dicke reiche Mann war
untröstlich, und obwohl das Fleischgeschäft florierte, konnte ihn nichts
glücklich machen. Der dicke reiche Mann fing an zu trinken, und eines Abends
war er so einsam, so benommen von der Hitze und dem Blutgeruch, dass er mitten
in der Nacht runter auf die Farm ging, und rate mal, was er tat?«
    »Er hat ein Schwein gefickt.«
    »Ein Pferd, um genau zu

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