Pink Hotel
daliegen, an eine verdammte Waschmaschine
gefesselt. Oft denke ich, wenn ich mein Hirn dazu bringen könnte, das zu tun,
was ich von ihm verlange, wenn sich die junge Frau in meinen Träumen aufrechter
hinsetzen und mehr lächeln und das tun würde, was ich von ihr will, dann wäre
mein Leben einfacher.
»Was für eine Waschmaschine?«, fragte David scherzhaft und wandte
mir den Kopf zu.
»Keine Ahnung«, sagte ich.
»Hohe oder niedrige Umdrehungen?«
»Hohe.«
»Buntwäsche oder weiß?«
»Weiß natürlich. Höhere Temperatur«, sagte ich.
»Wären deine Klamotten in der Maschine?«, fragte er.
[269] »Aber ja.«
Wir verstummten, endlich schläfrig, als draußen vor den Fenstern die
Sonne aufging.
»Was ist nun aus Enkidu geworden? Ich muss es wissen, sonst kann ich
nicht einschlafen.«
»Man verschleppte mich auf die Farm, um ihn in die Welt der Menschen
zu zwingen.«
»Um einen Mann aus ihm zu machen, wie im Gilgamesch-Epos«, sagte
David.
»Genau«, ich gähnte. »Doch im Moment bin ich zu müde, um aus wem
auch immer einen Mann zu machen.«
»Du lebst die meiste Zeit gar nicht in der Realität«, sagte er.
»Behauptet der Alkoholiker«, entgegnete ich.
»Das hat gesessen«, sagte er.
»Wer im Glashaus sitzt…«, ich küsste ihn.
»Lass uns irgendwohin abhauen«, schlug er vor.
»Klar«, ich lächelte.
»Lass uns morgen irgendwohin abhauen«, sagte er noch einmal.
»Wohin?«, fragte ich.
»Rio, Mexiko, zum Mond? Ist mir doch egal. Ich will bloß weg. Diese
Frau ein Stockwerk tiefer erzählt mir dauernd, hier ginge alles den Bach
runter.«
»Das erzählt sie mir auch.«
»Bist du im Lügen so gut wie im Geschichtenerzählen?«
»Wie meinst du das?«, fragte ich, durch den abrupten Wechsel von Ton
und Thema verwirrt.
»Bist du eine gute Lügnerin?«, fragte er.
[270] »Mein Dad hat immer gemerkt, wenn ich log, weil dann mein linkes
Auge zuckte«, schwindelte ich mit dem Anflug eines Lächelns. David hielt mir
einen Daumen unter das Auge.
»Liebst du mich?«, fragte er.
»Ja, sehr. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch«, sagte er und beobachtete mein Auge, ob es
zuckte.
[271] 33
Natürlich gingen wir am nächsten Tag nirgendwohin, obwohl
ich wünschte, wir hätten es getan. Stattdessen wachten wir in der Hitze auf und
hatten ein paar Stunden für uns, ehe Sam mich zur Arbeit abholte. David und ich
gingen zum Griffith Observatory hinauf. Unter uns erstreckten sich die Stadt
und die Santa Monica Mountains glitzernd wie ein Topf Wasser kurz vor dem
Siedepunkt. Als wir oben ankamen, durch all die heiße, trockene Luft, sahen wir
die kahlen Stellen verbrannter Erde, wo erst vor wenigen Tagen die Feuer
gelöscht worden waren. Ganz in der Nähe stieg immer noch Rauch auf und zerlegte
den blauen Himmel in graue, unbeständige Puzzleteile. Ich beobachtete, wie eine
dehydrierte Fliege durch die Luft taumelte und schließlich auf einem
Eisengeländer landete, das irrsinnig heiß sein musste, denn wenige Sekunden
später fiel die Fliege tot zu Boden. David trug ein löchriges hellblaues
T-Shirt, und während unseres Aufstiegs entstand ein Schweißdreieck auf seinem
Rücken. Ich konnte ihn riechen. Er erzählte mir, wie er mit fünfundzwanzig
eines Tages um neun Uhr morgens vor dem Observatorium aufgewacht war, ohne
einen blassen Schimmer, wie er dorthin gekommen war, umgeben von holländischen [272] Touristen,
die ihn mit ihren Reiseführern anstießen. Ich lachte, auch wenn es ein
jämmerliches Bild war.
»Bist du noch nie an seltsamen Orten aufgewacht?«, wollte er wissen.
»Eigentlich nicht«, sagte ich achselzuckend, »ich betrinke mich
nicht so gern.« David lachte. »Allerdings hatte ich ein kurzes Techtelmechtel
mit schlafförderndem Hustensaft mit Kirschgeschmack… Aber das war’s auch
schon.«
Wir schwiegen ein Weilchen und umrundeten das Gebäude. David sagte,
er werde am Nachmittag losziehen, um Prominenten ihre unbeobachteten Momente zu
stehlen. Und vielleicht die Fotos von vor ein paar Wochen entwickeln, die, auf
denen ich im Bikini in seinem Wohnzimmer posiert hatte.
»Oh, nein«, mir wurde ganz anders. »Bitte nicht.«
»Warum nicht?«
»Die sind bestimmt albern.« Mich fröstelte.
»Die sind bestimmt zauberhaft, versprochen«, sagte er lächelnd und
hielt meine Hand, als wir uns auf den Rückweg machten, den Hügel hinab. Ich
fragte mich, was er wohl sah, wenn er mich anschaute, und überlegte, von wie
viel Unehrlichkeit unsere Wahrnehmung ohnehin getrübt
Weitere Kostenlose Bücher