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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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seine Akne deutlich schlimmer wurde und seine Haut nach
Schinkenspeck stank. Wahrscheinlich würden Dad und der Junge nicht miteinander
reden, außer ein paar geknurrte Brocken, wenn es darum ging, abends um sieben
die Kasse abzurechnen, aber Dad würde dem Jungen mehr als den ihm zustehenden
Trinkgeldanteil überlassen. Ich versuchte, diese Gedanken zu stoppen, doch mein
Hirn ließ sich nicht bremsen – Café, Daphnes Fingernägel, Omas geschwollene
Knöchel, Lilys Liebesbriefe, Julies Zehen, dann sah ich das kleine Mädchen, wie
es durch die Luft fiel und auf dem Boden aufschlug. Ich riss abrupt die Augen
auf und probierte, alle meine Gedanken wegzublinzeln, aber es gelang mir nicht.

[252]  31
    Eines Abends verglichen David und ich unsere Narben und
setzten das Gespräch fort, das wir vor gut einem Monat vor dem Platinum Club
begonnen hatten. Zuerst küsste ich die Narbe, die seine rechte Augenbraue
teilte, dann eine auf seiner Wange knapp unter dem Auge. Bei ihm waren es nur
kleine Vertiefungen, die eine etwas andere Struktur hatten als die Haut um sie
herum, aber nicht eisfarben waren wie meine Narben.
    »Wo hast du die her?«, fragte ich und berührte seine Wange mit der
Fingerspitze; meine andere Hand ruhte auf seinem Oberkörper.
    »Kneipenschlägerei«, sagte er und drehte leicht den Kopf, um eine
Stelle an meinem Hals zu küssen, fast unter dem Ohr, wo ich eine Narbe von der
Form Italiens hatte. »Und die?«, fragte er und berührte die Narbe.
    »Eine wüste Runde ›Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?‹, als ich zehn
war«, sagte ich lächelnd.
    »Die hier«, sagte er und zeigte auf einen halbmondförmigen
grinsekatzenhaften Umriss auf meiner Schulter.
    »Da hab ich mal versehentlich ein Fenster kaputtgemacht«, sagte ich.
    »Meine Güte.« Er musste lachen.
    [253]  »Ja«, ich wurde rot und küsste die weiche Stelle zwischen Daumen
und Zeigefinger an Davids Hand. Er küsste die weißliche Erhebung rechts an
meiner Unterlippe, auf der ich herumbeiße, wenn ich nervös bin. Ich zeigte ihm
die Narbe an meinem Hintern von damals, als ich in den Container gestoßen wurde
und sich das Metall durch meine Jeans gebohrt hatte, sowie den Schnitt an
meinem Handgelenk, der von einem Stück Glas stammte, auf das ich bei einer
Fußballrauferei gefallen war. Ich zeigte ihm sogar die zehn Zentimeter lange,
blauverfärbte Messernarbe auf der Innenseite meines Oberschenkels, und er küsste
sie. Dann küsste ich die schlangenförmige Narbe auf seinem Steißbein, Resultat
eines Sturzes vom Balkon, als er sich mit Sam abgeschossen hatte. Zwei seiner
Narben, eine seitlich an der Stirn und eine am Hals, sahen frischer aus die
anderen. Sie waren zwar geheilt, glänzten aber und waren leicht erhöht, wie bei
neuen Narben üblich.
    »Weshalb humpelst du?«, fragte ich.
    »Die Narben kommen mir jetzt seltsam vor«, sagte er als Antwort und
berührte sich am Fußknöchel, wo er an der Achillessehne eine Narbe hatte.
    »Wieso?«
    »Vermutlich weil ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht betrunken
bin«, sagte er. »Deshalb ist es in meiner Wohnung auch so… leer. Ich hab alles
rausgeworfen, was mich an Alkohol erinnert hat. Die Narben erinnern mich an
Alkohol. Ich glaube, die am Knöchel… Da bin ich mal in eine Glasscheibe gelaufen,
irgend so was Dummes.«
    [254]  »Fehlt sie dir?«, fragte ich.
    »Wer?«
    »Lily.«
    Er wandte den Kopf, um mich anzusehen, schien aber nicht böse zu
sein. Wir schwiegen eine Zeitlang. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
    »Ich denke öfter an sie, als mir lieb ist«, gab er zu. »Aber ich
wünschte, es wäre anders. Ich will nicht an sie denken müssen.«
    »Du hast sie bestimmt sehr geliebt.«
    »Ich hab gesagt, ich will nicht an sie denken müssen«, entgegnete er
gereizt, während er sich im Bett aufstützte und mich fest anblickte. »Ich
wünschte, du würdest sie nicht erwähnen. Ich habe mich gerade so wohl gefühlt
mit dir, und dann fängst du auf einmal an, von einer anderen Frau zu reden.«
    »War sie auf euren Sauftouren dabei, wenn ihr am Wochenende
weggefahren seid?«, bohrte ich weiter.
    »Ich will nicht darüber reden«, sagte er gefährlich leise, und einen
Moment lang dachte ich sogar, er würde mich schlagen. Meine Haut spannte sich,
kribbelte erwartungsvoll, doch nichts geschah. Er ließ seine Faust sinken und
fiel wieder in die Kissen zurück.
    »Tut mir leid«, sagte ich und wandte den Blick von seinem Körper
neben mir. Zuerst schwiegen wir, dann legte er seine Hand

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