Pioniere des Kosmos
hatte, war ihr einziges Ziel gewesen, eine Philosophieprofessorin von solchem Rang zu werden, daß man sie von der Teilnahme an der Lotterie befreien würde.
Tatsächlich hatte sie es zu einer ordentlichen Professur an der Universität Belgrad gebracht, doch war sie nie hinreichend berühmt geworden, um die ersehnte Freistellung zu erreichen. Im Laufe dieser letzten Jahre war ihr klar geworden, daß sie dieses Ziel niemals erreichen würde. Sie war tüchtig, sie war brillant, aber sie war nicht die Beste, und nur die Besten wurden freigestellt.
Einige dreißig Meter weiter vorn – ungefähr auf gleicher Höhe mit dem Wagen, aus dem jetzt Grenzer Mark ten Roos stieg – war Age Hammerschold. Er war Kunsttischler, 63 Jahre alt, und seine wichtigste Geistestätigkeit bestand jetzt darin, daß er sich unaufhörlich zum Tod seiner Frau beglückwünschte, die vor drei Jahren gestorben war. Er war beinahe glücklich, daß ihr diese Erfahrung erspart geblieben war. Sein eigenes Schicksal bedeutete ihm nichts; er wartete gleichmütig die Formalitäten am Tor ab; und ebenso gleichmütig würde er dann an Bord des Schiffes gehen und sich irgendwohin bringen lassen, um seine Tage fern der Erde zu beschließen. Er war nahe genug, um zu hören, was sie auf der anderen Seite des hohen Zaunes mit der Stacheldrahtbekrönung sagten, aber er beachtete es nicht. Soweit es ihn betraf, waren die regulären Passagiere wie exotische Tiere, mit denen er nichts gemeinsam hatte.
»Miß«, sagte eine der beiden Schiffswachen auf der anderen Seite des Zaunes, »Sie verstehen nicht.«
»Doch, ich verstehe ganz gut«, sagte das junge Mädchen, zu dem er sprach. Es streckte den rechten Arm aus und zog den Ärmel zurück. Um das Handgelenk war etwas geschnallt, das wie eine juwelenbesetzte Streichholzschachtel aussah. »Aber ich habe eine Waffe.«
Mark ten Roos, der Grenzer, der eben eingetroffen war, wandte seinen Kopf und betrachtete sie prüfend. Sie war höchstens zwanzig, mittelgroß und schlank, mit einer schulterlangen schwarzen Mähne, die von einem silbernen Reif aus dem Oval ihres Gesichts zurückgehalten wurde. Ihre Augen blitzten zornig.
»Ja, Miß«, sagte der andere Posten, »ich weiß. Aber darum geht es nicht. Alle Passagiere müssen eine Waffe sichtbar an der Seite tragen.« Er hielt den Gürtel mit daranhängender Pistolentasche in die Höhe. »Vorschrift des Kapitäns, Miß.«
Es war komisch, dachte Mark, daß die Schiffswachen so ungewöhnlich geduldig mit dem Mädchen waren. Er fragte sich, wer sie sein mochte. Als mitreisende Ehefrau eines Kaufmanns oder Handelsagenten würde sie niemals diese Samthandschuh-Behandlung erfahren haben, und jedenfalls sah sie zu jung und zu wenig selbstbewußt aus, um eine von diesen zu sein. Selbst wenn sie zum Stab des Admirals gehörte, dessen Name Mark auf der Passagierliste entdeckt hatte, erklärte das kaum eine solche Vorzugsbehandlung.
Offenbar war sie nicht irgendeine Dutzendperson wie eine Kaufmannsehefrau oder eine Sekretärin im Admiralstab. Sie konnte nur, wie der Admiral selbst, ein Mitglied der oberen Zehntausend sein – jener verfilzten Oligarchie an der Spitze der übervölkerten Erde, für die unbegrenzter Reichtum und unbegrenzte Macht Selbstverständlichkeit waren, und die so unter sich blieb, daß ein gewöhnlicher Sterblicher kaum einmal die Chance hatte, ein Mitglied dieser bevorzugten Klasse zu sehen.
Mark sah dieses Mädchen plötzlich mit anderen Augen. Gegen seinen Willen machte es ihn neugierig, und je aufmerksamer er ihr Gesicht, ihre Kleider und ihre Bewegungen studierte, desto klarer wurde ihm, daß er richtig vermutet hatte; sie war ein wandelndes Symbol all dessen, was er seit den Jahren seines Heranreifens zu verabscheuen gelernt hatte. Aber sie war wenigstens schön. Verwöhnt, schön und jung, und so eingehüllt in Luxus, daß sie sich sein Fehlen nicht vorstellen konnte. Für sie war eine Reise zu den Kolonien ein Zeitvertreib, eine willkommene Abwechslung mit dem Reiz des Abenteuerlichen …
Er verdrängte sie kalt aus seinem Bewußtsein und wandte seine Aufmerksamkeit den Kolonisten und dem Raumschiff zu.
»Die »Wombat« war ein Schiff von hundertfünfzigtausend Tonnen und sollte zum Sektor Abruzzi des kolonisierten Raums hinausgehen, wo neun Zehntel der kolonisierten Welten zu finden waren. Ihre Ladung bestand aus Werkzeugmaschinen, Instrumenten, Waffen, Eisenwaren und einigen zwölfhundert Kolonisten für die vier kolonisierten Welten unter
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