Piper und das Rätsel der letzten Uhr
brummenden Töne, die weniger Worte als Geräusche waren. Geräusche, die sich zu Worten verknüpften.
»Ich bin Piper Hepworth«, sagte Piper.
»Du bist nicht von hier.«
»Ich bin aus St. Ives.« Piper hatte überhaupt kein Problem, die Bienen zu verstehen.
»Du kannst unseren Honig nicht stehlen. Wenn du ihn stiehlst, dann stechen wir dich.«
»Ich weiß.« Wäre sie eine Biene, würde sie nicht anders handeln.
»Wir kennen die beiden Honigdiebe da unten«, fuhren die Bienen fort. »Bei uns gibt es keine Diebe. Wir mögen keine Diebe.« Während sie sprachen, flogen immer wieder Bienen aus der Formation heraus und andere flogen in sie hinein.
»Der Dachs hat Geburtstag«, sagte Piper schließlich. »Er heißt Mr Olivier. Der Honig soll ein Geschenk sein.«
»Wie kann man etwas Gestohlenes verschenken?«, fragte das Bienengesicht.
Ratlos zuckte Piper die Achseln. »Na ja, deswegen überlege ich ja, ob es nicht auch einen anderen Weg gibt.« Und noch während sie dies sagte, kam ihr eine Idee.
Nicht irgendeine Idee, sondern die Idee!
»Vielleicht könntet ihr dem Dachs selbst etwas von eurem Honig schenken«, schlug sie vor.
Eine Weile war es fast still. Das Summen wurde leiser, verebbte beinahe und Piper hatte schon Angst, dass sie die Bienen mit ihrem Vorschlag noch mehr verärgert hatte. Doch dann vernahm sie wieder die brummenden Töne, die sich zu Worten formten.
»Du bist mutig.«
Piper merkte, wie sie rot wurde. Noch nie hatte jemand sie mutig genannt. In ihr machte sich ein freudiges Kribbeln breit, auch wenn sie noch nicht so recht wusste, was die Antwort der Bienen genau bedeutete.
»Wir hätten dich stechen können. Und du bist trotzdem zu uns gekommen.«
»Mein Onkel kümmert sich um Bienen. Er hat mir gesagt, dass ich keine Angst haben muss.«
»Klettere nach unten zu deinen Freunden und sag ihnen, dass sie nach einem anderen Geschenk Ausschau halten müssen. Den Honig werden wir dem Dachs zum Geburtstag schenken.«
Aus der einen Biene wurden augenblicklich wieder viele Hunderte, die alle in andere Richtungen flogen und Piper in eine Wolke einhüllten. Sie dämpften das Licht der Sonne und dann, auf einmal, verlor Piper das Gleichgewicht. Sie versuchte, den Ast, auf dem sie gesessen hatte, zu umklammern, doch sie griff ins Leere. Stattdessen wurde sie in die Lüfte gehoben und dann wie in einem Fahrstuhl nach unten getragen. Einem schwarz-gelben Wolkenfahrstuhl.
»Du bist die Erste, die nicht den weiten langen Weg zu uns kommt, um uns zu bestehlen«, summte es im Inneren der Wolke, die wieder aus Hunderten von Bienen bestand.
Piper war überwältigt. »Danke«, sagte sie schließlich, als die Bienen sie unten am Boden abgesetzt hatten.
Mr Travis und Mr Reddingshurst waren hinter eine Hecke gesprungen, als der Bienenschwarm sich genähert hatte. Erst als die Bienen fort waren, kamen sie aus ihrem Versteck hervor.
»Sie haben keinen Honig«, stellte Mr Travis fest.
»Das ist schade«, sagte Mr Reddingshurst.
»Was sollen wir dem Dachs jetzt schenken?«
Piper sagte: »Schenken Sie ihm etwas, das Ihnen beiden am Herzen liegt.«
»Warum?«
»Schenken heißt doch, dass man etwas weggibt, was man eigentlich gerne selbst behalten möchte.« Das hatte ihre Mutter einmal gesagt.
Mr Travis und Mr Reddingshurst sahen einander ratlos an. So hatten sie sich die Hilfe des Mädchens nicht vorgestellt.
»Den Honig machen die Bienen dem Dachs zum Geschenk.«
Otter und Eichhörnchen schwiegen noch immer.
»Na, wie wäre das?«
Nach einem gewissen Zögern sagte der Otter schließlich: »Ist gut.«
»Gut«, sagte auch das Eichhörnchen, etwas zerknirscht.
»Klasse!« Piper freute sich. Am Ende hatte sie wirklich eine Idee gehabt – und eine gute noch dazu.
So gingen sie zu Mr Olivier, dem Dachs, der am anderen Ende des Waldes in einem Loch im Boden lebte. Als Piper durch die Fenster schaute, sah sie, dass er sich wie in einer behaglichen englischen Landhauswohnung eingerichtet hatte. Da Piper nicht in die Wohnung von Mr Olivier hineinpasste, machten sie ein Picknick im Vorgarten, zu dem sich abwechselnd noch weitere Tiere aus der Nachbarschaft gesellten: Madam Wilfried, die Eule, Herbert Fitzgibbons, ein Eichelhäher, Sophie, Sally und Sarah Shepherd, drei Schafe, Colin Biggels, der Haselmäuserich, und Sir Hamish, der Hase. Alle brachten Geschenke mit. Mr Travis hielt dem Dachs einen frischen Lachs unter die Nase und Mr Reddingshurst schenkte ihm einen Sack Nüsse.
Sie alle tranken Tee
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