Piper und das Rätsel der letzten Uhr
ein paar Quallen herumwirbelte und nach unten zog. Piper spürte, wie ihr die allerletzte Luft entwich. Sie schluckte Wasser. Alles um sie herum wurde schwarz und dann still.
9. Kapitel
Als sie die Augen öffnete, war sie wieder woanders. Und trocken dazu, stellte Piper erleichtert fest.
Sie befand sich in einem Flur, von dem viele Türen ausgingen. Die Tür, vor der sie stand, schien in den Keller hinunterzuführen. In der Küche nebenan hörte sie eine Frau rumoren. Die Frau fluchte lauter Flüche wie Dreckskerle machen nur Dreck und Zu dumm zum Kartoffelschälen und Schlimmeres. Dann rief sie: »Kleine, kannst du mir ein Glas eingemachte Gurken bringen?« Ehe sie es sich versah, antwortete Piper: »Mach ich.« Sie wunderte sich, wie stark diese Gewohnheit in ihr steckte. Immer, wenn ihre Mutter kochte, musste Piper durch die Bude springen und nach Sachen suchen, die in der Küche gebraucht wurden.
Ein großer Mann polterte an ihr vorbei.
»Aus dem Weg, Göre!«, herrschte er sie an. Er war groß und breit und Piper hätte schwören können, dass er auch ein Pirat war.
»Tut mir leid«, murmelte Piper, obwohl sie sich gleichzeitig fragte, was ihr eigentlich leidtat.
Der große Mann blieb stehen. »Was stehst du auch da herum«, schimpfte er.
»Ich…«
Sie wusste ja gar nicht, wo sie war.
Der große Mann kam auf sie zu. »Wir haben dich bei uns aufgenommen, das machen wir normalerweise nicht mit Schiffbrüchigen: Dafür musst du arbeiten, hab ich dir doch gesagt. Das Jamaica Inn ist kein Waisenhaus.«
Piper sagte nichts.
Jamaica Inn? Hatte sie richtig gehört?
»Wenn meine Frau dir aufträgt, in den Keller zu gehen, dann solltest du das tun! Und zwar auf der Stelle!«
Piper nickte schnell.
Jamaica Inn – so hieß doch der alte Schwarz-Weiß-Film über die Strandpiraten. Und das alte Buch, in das jemand die Karte von Septemberland gezeichnet hatte. Wenn sie sich richtig erinnerte, war das Jamaica Inn so eine Art Wirtshaus. Eine Taverne.
Der große Mann, der vermutlich der Chef des Jamaica Inn war, polterte weiter den Flur entlang, knallte eine Tür und grölte etwas zu der Meute, die ihn dort, in einem anderen Raum, willkommen hieß.
Piper zögerte noch einen kurzen Moment, dann öffnete sie die Kellertür. Eine steile Treppe mit schmalen Stufen führte hinunter in die Dunkelheit. Es roch nach in großen Kisten gelagerten Kartoffeln und Moder.
Eigentlich sträubte sich in Piper alles, da hinunterzugehen, doch gleichzeitig war sie sich sicher, dass sie hinuntergehen musste. Ihr Gefühl sagte ihr, dass der nächste Schlüssel nicht nur irgendwo in dieser Taverne war, sondern genau in diesem Keller.
Das Klappern in der Küche wurde lauter und hektischer, aus einem der anderen Räume hörte sie Männer streiten.
Die Strandpiraten, dachte sie.
»Na gut«, sagte sie laut, zündete eine Kerze an, die neben der Treppe stand, und machte sich langsam auf den Weg nach unten. Sie musste aufpassen, dass die Kerze nicht erlosch, denn außer dieser Kerze gab es kein anderes Licht.
Piper spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann, dann war sie unten angekommen. Gleich neben der Treppe gab es einen Stoffvorhang. Er war dazu da, die Nische zu verbergen, in die irgendjemand Holzregale eingebaut hatte. Auf den Holzregalen standen Unmengen von dicken Einmachgläsern mit allem Möglichen drin: Marmelade, Honig, Gurken, Bohnen, Rote Bete und vieles mehr, das Piper noch nie gesehen hatte.
Piper fröstelte. Sie hatte Keller noch nie gemocht. Als sie ganz klein gewesen war, hatte sie immer geglaubt, dass sich Wesen im Keller verbargen. Schreckliche, unheimliche Wesen. Und wenn es schon keine schrecklichen, unheimlichen Wesen gab, dann waren da noch immer die Spinnen. Dick, fett, schwarz und haarig.
Kellerspinnen, so nannte ihr Vater sie.
Brrrr.
Piper verlangsamte ihre Schritte noch mehr, je weiter sie nach unten kam.
Piper hasste es, wenn sich die Spinnen, fühlten sie sich entdeckt, größer machten. Sobald sie einen Menschen in der Nähe vermuteten, drückten sie sich ganz dicht an den Boden oder die Wand, spreizten ihre acht langen Beine mit den winzigen Haaren darauf und sahen aus, als würden sie einen jeden Moment anspringen.
Aber wirklich verwunderlich war es eigentlich nicht, dass sie hier war, dachte Piper. Der Rastlose würde den Schlüssel kaum dort verstecken, wo sie ihn leicht fand, und vermutlich kannte er ihre Angst vor Spinnen.
Also fasste sie sich ein Herz und zog den Vorhang zur
Weitere Kostenlose Bücher