Piper und das Rätsel der letzten Uhr
zu mir gehört.«
Während er dies sagte, stellte der Rastlose die Teetasse auf den Unterteller zurück. Seine Hand zitterte immer noch im Rhythmus eines Sekundenzeigers. Das unverhofft laute Klappern ließ Piper zusammenzucken. »Und du kannst nur dann wieder nach Hause zurückkehren, wenn du deine Langeweile bei mir lässt.«
Piper überlegte. Sie musste den Rastlosen beim Wort nehmen. Auch wenn sie immer noch nicht glauben konnte, dass er es ernst meinte. Aber sie hatte keine Wahl, wenn sie jemals wieder nach Hause zurückkehren wollte.
»Was muss ich tun?«
»Du musst Abenteuer bestehen. Wenn du das tust, verlässt dich die Langeweile. Dann gehört sie mir.«
»Abenteuer?« Piper dachte, dass sie doch schon längst mitten in einem Abenteuer steckte, sagte aber nichts.
Der Rastlose seufzte und seine Augen fixierten sie. »Keine harmlosen Abenteuer, nein, ich meine echte, gefährliche Abenteuer. Deren Ausgang ungewiss ist.«
Piper ertappte sich dabei, wie sie seinem Blick auswich. »Und was passiert, wenn ich sie bestanden habe?«
Jetzt leckte sich der Rastlose über die Lippen mit einer Zunge, die viel zu lang für einen richtigen Menschen war. »Nun ja, dann werde ich deine Langeweile essen.« Er kicherte wieder sein Ticktack-Kichern. »Denn deswegen bin ich so alt, weißt du? Ich nehme mir die Zeit, die andere nicht benötigen.«
Piper verzog angewidert das Gesicht.
»Es gibt nur einen Weg, der dich nach Hause führen wird«, sagte der Rastlose. »Nur du kannst ihn finden. Kein anderer kennt ihn oder wird ihn erkennen, nicht mal ich. Drei Türen und drei Schlüssel. Mehr kann ich dir nicht sagen.« Dabei lenkte er den Blick des Mädchens auf das Bild.
»Was muss ich tun?«
»Mit den Schlüsseln die Türen öffnen und hindurchgehen.«
»Das ist alles?«
Jetzt grinste der Rastlose fast hämisch. »Das, kleine Piper, ist sehr, sehr viel.« Die Art und Weise, wie er das sagte, ließ Piper erstarren. Jedes Wort klang nach einer Falle, die nur darauf wartet, zuschnappen zu können.
»Sie werden mir die Schlüssel bestimmt nicht geben, oder?«
»Nein, das werde ich natürlich nicht.«
»Was muss ich also tun?«
»Das findest du heraus, wenn es so weit ist.«
Na klasse!
Piper betrachtete das Bild mit den drei Türen und dem Schrankkoffer in der Ferne. »Wenn ich diesen Weg finde«, fasste sie den Plan des Rastlosen zusammen, »dann darf ich nach Hause gehen.«
»So ist es.«
Das klang eigentlich ganz einfach. Aber alles, was einfach klingt, hat meistens einen Haken. Das wusste Piper.
»Und wenn es nicht funktioniert?«
Der Rastlose nippte erneut an seinem Tee, der schwarz war und dampfte.
»Dann wirst du wie sie.« Er deutete auf die Bilder der Kinder neben dem Kamin. Oder besser gesagt auf die Bilder, die eben noch Kinder gezeigt hatten.
Ja, Piper war sich ganz sicher, dass es eben noch Kinder gewesen waren.
Jetzt waren dort Porträts von Erwachsenen zu sehen. Manche sahen sogar schon älter aus als Pipers Uropa. Eines der Bilder stach jedoch hervor, denn es war das einzige, auf dem noch ein Kind zu erkennen war. Es hing ganz außen.
Piper erschrak, als sie es genauer betrachtete.
Denn es war niemand anderes als sie selbst, die dort eingerahmt an der Wand hing.
Der Rastlose jedoch tippte auf das Bild direkt daneben. Es zeigte einen erwachsenen Mann, der vielleicht so alt wie Pipers Vater war.
»Er ist einmal wie du gewesen. Auch er kam hierher, weil ihn alles langweilte und weil er sich ein anderes Leben gewünscht hatte. Ein Leben mit mehr Spaß und Abenteuer und Spannung«, sagte er und grinste breit und dann noch breiter. »Wenn man eine einzige Tür nicht öffnen kann, dann ist es vorbei.«
Piper nickte. Sie hatte verstanden. Wenn sie es nicht schaffte, würde sie hierbleiben und alt werden.
»Du bist ein kluges Mädchen.« Der Rastlose faltete die Hände im Schoß. »Siehst du, ich bin ehrlich zu dir. Ich spiele mit offenen Karten. Jetzt bist du dran zu spielen.«
»Und wann beginnt das Spiel?«, fragte Piper leise, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.
Der Rastlose bedachte sie mit einem gespielt gütigen Blick und sagte: »Es hat schon längst begonnen, kleine Piper.«
8. Kapitel
Sie konnte den Schlüssel sehen. Er schwebte einsam in der Luft, auf halbem Weg zwischen dem tiefblauen Wasser und dem höchsten Mast des Schiffes. Wohin der Rastlose verschwunden war, konnte Piper nicht sagen. Er war einfach fort. Und woher so plötzlich ein Schiff gekommen war, wusste sie
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