Pippi Langstrumpf
kann vielleicht keine ,wirklich feine Dame‘
werden, wenn man nicht lernt, wieviel Hottentotten es in Afrika gibt.“
Thomas und Annika saßen mit ihren aufgeschlagenen Geographiebüchern am Küchentisch. Pippi saß mit hochgezogenen Beinen mitten auf dem Tisch.
„Aber bedenkt mal“, sagte Pippi und legte nachdenklich ihren Finger an die Nase, „wenn ich gerade gelernt habe, wie viele Hottentotten es gibt, und einer davon bekommt Lungenentzündung und stirbt – dann war das ja alles umsonst, und ich sitze da und bin kein bißchen ,eine wirklich feine Dame‘.“ Sie überlegte. „Es müßte jemand den Hottentotten sagen, sie sollen sich so benehmen, daß in euren Schulbüchern keine Fehler stehen“, sagte sie.
Wenn Thomas und Annika mit ihren Schularbeiten fertig waren, dann begann das Vergnügen. Wenn schönes Wetter war, spielten die Kinder im Garten, ritten ein bißchen auf dem Pferd oder stiegen auf das Mangelstubendach und tranken dort Kaffee. Oder sie kletterten auch auf die alte Eiche, die innen ganz hohl war, so daß man in den Stamm hinunterkriechen konnte. Pippi sagte, es sei ein sehr merkwürdiger Baum, denn 154
es wuchs Limonade darin. Und das war schon richtig, denn jedesmal, wenn die Kinder in ihr Versteck in die Eiche hinunterkamen, standen drei Flaschen Limonade da und warteten auf sie. Thomas und Annika konnten nicht begreifen, wo die leeren Flaschen nachher hinkamen, aber Pippi sagte, daß sie verwelkten, sobald man sie ausgetrunken hatte. Ja, es war ein merkwürdiger Baum, das gaben beide zu, Thomas und Annika. Mitunter wuchsen auch Schokoladentafeln dort, aber nur an den Donnerstagen, sagte Pippi, und Thomas und Annika paßten gut auf, daß sie nicht versäumten, jeden Donnerstag hinzugehen und Schokoladentafeln zu ernten. Pippi sagte, wenn man sich nur die Zeit nähme, den Baum fleißig zu gießen, dann könnte man ihn sicher dazu bringen, daß Weißbrot in ihm wüchse und sogar etwas Kalbsbraten.
Wenn Regenwetter war, blieben sie im Haus, und das war auch nicht langweilig. Entweder konnten sie alle die feinen Sachen anschauen, die Pippi in ihren Schubladen hatte, oder sie konnten vor dem Herd sitzen und zusehen, wie Pippi Waffeln backte oder Äpfel briet. Oder sie konnten auch in die Holzkiste kriechen und Pippi zuhören, wenn sie spannende Geschichten aus der Zeit erzählte, da sie auf dem Meer gesegelt war.
„Es war jammervoll, wie es stürmte“, konnte Pippi sagen.
„Sogar die Fische waren seekrank und wollten an Land gehen.
Ich habe selbst einen Hai gesehen, der ganz grün im Gesicht war, und einen Tintenfisch, der sich mit allen seinen vielen Armen den Kopf hielt. Ach, ach, ach, was war das für ein Sturm!“
„Hattest du keine Angst, Pippi?“ fragte Annika.
„Ja, denk bloß, wenn ihr Schiffbruch erlitten hättet!“ sagte Thomas.
„Ja, mehr oder weniger schiffbrüchig bin ich viele Male gewesen“, sagte Pippi. „Ich hatte also keine Angst. Wenigstens nicht gleich. Ich hatte keine Angst, als die Rosinen aus der Saftsuppe weggeblasen wurden, da wir gerade beim 155
Mittagessen saßen, und auch nicht, als dem Koch die falschen Zähne aus dem Mund flogen. Aber als ich sah, daß von der Schiffskatze nur noch das Fell übrig war und sie selbst splitternackt durch die Luft dem Fernen Osten zu segelte, da fing ich an, mich etwas unbehaglich zu fühlen.“
„Ich habe ein Buch, das von Schiffbruch handelt“, sagte Thomas. „Robinson Crusoe heißt es.“
„O ja, das ist schön“, sagte Annika. „Er kam auf eine einsame Insel, der Robinson.“
„Hast du auch einmal Schiffbruch erlitten, Pippi?“ fragte Thomas und setzte sich in der Holzkiste etwas besser zurecht.
„Und bist du auf eine öde Insel gekommen?“
„Das will ich meinen!“ sagte Pippi nachdrücklich. „So etwas Schiffbrüchiges wie ich – da kann man lange suchen. Ich glaube, es sind ungefähr so acht oder zehn Inseln im Atlantischen und Stillen Ozean, auf denen ich nicht nach einem Schiffbruch gelandet bin. Die stehen in den Handbüchern für Touristen auf einer besonderen schwarzen Liste.“
„Ist es nicht herrlich, auf einer öden Insel zu sein?“ fragte Thomas. „Das möchte ich auch gern mal erleben.“
„Die Sache läßt sich leicht machen“, sagte Pippi. „An Inseln herrscht kein Mangel.“
„Nein, ich weiß eine, gar nicht weit von hier“, sagte Thomas.
„Liegt sie in einem See?“ fragte Pippi.
„Ja, natürlich“, sagte Thomas.
„Fein“, sagte Pippi. „Denn wenn
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