Pippi Langstrumpf
zehnten Runde. Das war er.
Da stellte Pippi das Pferd auf die Küchentür, und auf den Pferderücken setzte sie Fridolf und drei andere Matrosen, und jeder der vier hatte zwei Kinder im Arm. Fridolf hielt Thomas und Annika im Arm. Dann hob Pippi die Küchentür hoch und trug sie fünfundzwanzigmal um den Rasen. Und das sah großartig aus im Scheine der Fackeln.
„Wahrhaftig, Mädchen, du bist stärker als ich“, sagte Kapitän Langstrumpf.
Dann setzten sich alle auf den Rasen. Fridolf spielte auf seiner Ziehharmonika, und alle anderen Matrosen sangen die schönsten Seemannslieder. Die Kinder tanzten zur Musik.
Pippi nahm zwei Fackeln und tanzte wilder damit als alle anderen.
Und dann schloß das Fest mit einem Feuerwerk. Pippi feuerte Raketen und Sonnen ab, daß der ganze Himmel sprühte.
Annika saß auf der Veranda und sah zu. Es war alles so schön.
So wunderbar. Sie konnte die Rosen nicht sehen, aber sie spürte ihren Duft in der Dunkelheit. Wie herrlich könnte alles sein, wenn nicht … wenn nicht … Es war, als ob eine kalte Hand an ihr Herz griffe. Wie würde es morgen sein? Und während der ganzen Sommerferien? Und immer? Es würde keine Pippi mehr in der Villa Kunterbunt geben. Keinen Herrn Nilsson würde es mehr geben, und kein Pferd würde mehr auf der Veranda stehen. Keine Ritte mehr, keine Ausflüge mit 185
Pippi, keine gemütlichen Abendstunden mehr in der Küche der Villa Kunterbunt, kein Baum, in dem Limonade wuchs, ja, der Baum würde natürlich noch da sein, aber Annika hatte das bestimmte Gefühl, daß keine Limonade mehr darin wachsen würde, wenn Pippi fort war. Was sollten sie und Thomas morgen anfangen? Wahrscheinlich Krocket spielen. Annika seufzte.
Das Fest war zu Ende. Alle Kinder bedankten und verabschiedeten sich. Kapitän Langstrumpf ging mit seinen Matrosen zurück auf die Hoppetosse. Er meinte, daß Pippi auch gleich mitgehen könnte. Aber Pippi sagte, sie wolle noch eine Nacht in der Villa Kunterbunt schlafen.
„Morgen um zehn Uhr lichten wir die Anker, vergiß es nicht!“ rief Kapitän Langstrumpf, als er ging.
Ja, nun waren nur noch Pippi und Thomas und Annika da.
Sie saßen im Dunkeln auf der Verandatreppe und waren ganz still.
„Ihr könnt ja trotzdem herkommen und hier spielen“, sagte Pippi schließlich. „Ich hänge den Schlüssel an einen Nagel neben die Tür. Ihr könnt alles nehmen, was in den Schubkästen ist. Und wenn ich eine Leiter in die Eiche stelle, dann könnt ihr selbst runterklettern. Wenn auch vielleicht nicht mehr so viel Limonade da wachsen wird. Es ist jetzt nicht die Jahreszeit dafür.“
„Nein, Pippi“, sagte Thomas ernst, „wir werden nicht mehr herkommen.“
„Nein, niemals, niemals“, sagte Annika. Und sie dachte, daß sie von jetzt ab jedesmal die Augen zumachen würde, wenn sie an der Villa Kunterbunt vorbeigehen mußte. Die Villa Kunterbunt ohne Pippi – Annika fühlte wieder die kalte Hand an ihrem Herzen.
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Pippi geht an Bord
Pippi verschloß sorgfältig die Tür zur Villa Kunterbunt. Den Schlüssel hängte sie daneben an einen Nagel. Dann hob sie das Pferd von der Veranda – zum letzten Mal hob sie es von der Veranda herunter! Herr Nilsson saß bereits auf ihrer Schulter und kam sich sehr wichtig vor. Er begriff wohl, daß etwas Besonderes im Gange war.
„Ja, das war wohl alles“, sagte Pippi. Thomas und Annika nickten. Ja, das war alles. „Es ist noch nicht so spät“, sagte Pippi. „Wir gehen zu Fuß, das dauert etwas länger.“
Thomas und Annika nickten, aber sie sagten nichts. Dann begannen sie ihre Wanderung zur Stadt. Zum Hafen. Zur Hoppetosse. Das Pferd trottete hinterher.
Pippi warf einen Blick über die Schulter zur Villa Kunterbunt.
„Nette Bude das“, sagte sie. „Keine Flöhe und in jeder Hinsicht angenehm. Und das ist vielleicht mehr, als man von den Negerlehmhütten sagen kann, wo ich von jetzt ab wohnen werde.“
Thomas und Annika sagten nichts.
„Falls es ganz furchtbar viel Flöhe in meiner Lehmhütte geben sollte“, fuhr Pippi fort, „werde ich sie zähmen und in eine Zigarrenkiste tun und an den Abenden ,Letztes Paar heraus‘ mit ihnen spielen. Ich werde ihnen kleine Schleifen um die Beine binden. Und die zwei treuesten und anhänglichsten Flöhe werde ich Thomas und Annika nennen, und die dürfen nachts in meinem Bett schlafen.“
Nicht einmal das vermochte Thomas und Annika
gesprächiger zu machen.
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„Was in aller Welt ist mit euch?“ sagte Pippi gereizt. „Ich
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