Pippi Langstrumpf
Kopf gefallen, was Lügen betrifft.“
„Ja, ich lüge manchmal an den Samstagabenden den Negern etwas vor, wenn sie sich die Woche über gut betragen haben.
Wir haben mitunter einen kleinen Lügen- und Singabend, mit Trommelbegleitung und Fackeltanz. Je mehr ich lüge, desto kräftiger schlagen sie auf die Trommeln.“
„Ja, ja“, sagte Pippi. „Ich habe wahrhaftig keinen, der trommelt. Ich lüge mir hier in meiner Einsamkeit selbst so viel vor, daß es eine Freude ist, das anzuhören, aber nicht mal soviel wie auf dem Kamm blasen tut einer deswegen. Eines Abends, als ich im Bett lag, log ich eine lange Geschichte von einem Kalb zusammen, das Spitzen klöppeln und auf die Bäume klettern konnte, und denk bloß, ich habe jedes Wort geglaubt! Das nenne ich gut gelogen! Aber die Trommel schlagen, nein, hier gibt es niemand, der das tut!“
„Na gut, dann will ich es tun“, sagte Kapitän Langstrumpf.
Und er schlug einen langen Trommelwirbel für seine Tochter, 177
und Pippi saß auf seinen Knien und legte ihr rußiges Gesicht an seine Wange, so daß er ebenso schwarz wurde wie sie.
Annika stand da und dachte an etwas. Sie wußte nicht, ob es passend war, es zu sagen, aber sie konnte es nicht hinunterschlucken.
„Es ist häßlich zu lügen“, sagte sie. „Das hat meine Mutter gesagt.“
„Ach, wie dumm du bist, Annika“, sagte Thomas. „Pippi lügt nicht richtig, sie tut nur, als ob das, was sie sich ausgedacht hat, gelogen ist. Verstehst du das nicht, du Dummerjan?“
Pippi sah Thomas nachdenklich an.
„Mitunter redest du so klug, daß ich fürchte, es wird etwas Großes aus dir“, sagte sie.
Es war Abend geworden. Thomas und Annika mußten nach Hause gehen. Das war ein ereignisreicher Tag gewesen, und es war lustig, einen richtigen, lebendigen Negerkönig gesehen zu haben. Und sicher war es schön für Pippi, daß ihr Vater nach Hause gekommen war. Aber doch! Aber doch!
Als Thomas und Annika ins Bett gekrochen waren, plauderten sie nicht, wie sie es sonst zu tun pflegten. Es war ganz still im Kinderzimmmer. Plötzlich hörte man einen Seufzer. Es war Thomas, der seufzte. Nach einer Weile hörte man wieder einen Seufzer. Diesmal war es Annika.
„Warum liegst du da und seufzt?“ fragte Thomas gereizt.
Aber er bekam keine Antwort. Denn Annika lag unter der Decke und weinte.
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Pippi veranstaltet ein Abschiedsfest
Als Thomas und Annika am nächsten Morgen durch die Küchentür der Villa Kunterbunt kamen, hallte das ganze Haus von einem fürchterlichen Schnarchen wider. Kapitän Langstrumpf war noch nicht aufgewacht. Aber Pippi stand auf dem Küchenfußboden und war bei ihrer Morgengymnastik. Sie schlug gerade den fünfzehnten Purzelbaum, als Thomas und Annika kamen und sie unterbrachen.
„Ja“, sagte Pippi, „jetzt hat man seine Zukunft gesichert. Nun werde ich Negerprinzessin. Das eine halbe Jahr werde ich Negerprinzessin sein, und das andere halbe Jahr werde ich auf allen Meeren der Welt mit der Hoppetosse umhersegeln. Vater meint, wenn er ein halbes Jahr lang die Neger ordentlich regiert, dann können sie sich das andere halbe Jahr ohne ihn behelfen. Denn, versteht ihr, ein alter Seebär muß hin und wieder ein Schiffsdeck unter den Füßen haben. Und dann muß er ja auch an meine Erziehung denken. Wenn ich einmal ein wirklich guter Seeräuber werden soll, dann ist es nicht richtig, wenn ich nur ein Hofleben führe. Davon wird man nur verweichlicht, sagt Vater.“
„Wirst du gar nicht mehr in die Villa Kunterbunt kommen?“
fragte Thomas mit verzagter Stimme.
„Ja, wenn wir pensioniert werden“, sagte Pippi. „In so ungefähr fünfzig, sechzig Jahren. Dann werden wir spielen und es gut haben.“
Weder Thomas noch Annika konnten sehr viel Trost aus dieser Antwort holen.
„Bedenkt mal – Negerprinzessin!“ sagte Pippi träumerisch.
„Es gibt nicht viele Kinder, die das werden. Und fein werde 179
ich sein! In allen Ohren werde ich Ringe haben und in der Nase einen noch größeren Ring.“
„Was wirst du sonst noch anhaben?“ fragte Annika.
„Nichts weiter“, sagte Pippi. „Nicht eine Spur mehr! Aber ich werde einen eigenen Neger haben, der mir jeden Morgen den ganzen Körper mit Schuhcreme putzt. Damit ich ebenso schwarz werde wie die anderen Neger. Ich stelle mich jeden Abend zum Putzen raus, gleichzeitig mit den Schuhen.“
Thomas und Annika versuchten, sich vorzustellen, wie Pippi aussehen würde.
„Glaubst du, daß das Schwarz gut zu deinem roten
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