Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
auch nur den Wert eines Schillings zurückbehalten habe, sei es von Silber, Gold, ambre gris, Diamanten, Perlen und anderen Edelsteinen mehr, daß nun allerdings einige Exempel vorgekommen wären von Leuten, die einen falschen Eid getan; um nun dergleichen Vorkommnissen zu begegnen, habe er für gut befunden von niemand einen Eid zu fordern, sondern eine allgemeine Durchsuchung zu veranstalten, von der niemand befreit sein sollte. Die Genossen Morgans, nämlich ein Teil der Kapitäne, denen er sein Vorhaben entdeckt hatte, befanden das sehr gut. Da wurde von jeder Kompagnie ein Mann zum Durchsuchen bestellt. Morgan selbst ließ sich (zum Schein) mit durchsuchen, wie auch alle Kapitäne, so daß niemand frei kam. Die französischen Räuber murrten zwar dawider, jedoch waren sie die stärkeren nicht, mußten also den Mund halten; hätten sie aber gewußt, was Morgan im Sinn führte, sie würden alles, was sie gefunden, nicht beigebracht haben. Nachdem sie allesamt durchsucht waren, begaben sie sich in die Kanoes und Fahrzeuge, die auf dem Fluss lagen, und kamen am 9. des Monats zum Kastell de Chagre, wo sie alles noch in gutem Stand fanden, ausgenommen die Blessierten, die sie daselbst zurückgelassen. Die waren meistens Hungers gestorben, denn auch die Gesunden hatten es schlimm genug gehabt; hatten sich nämlich mit einer gewissen Art von Vögeln behelfen müssen, welche die Spanier Gallinazos nennen. Diese leben von nichts anderem als von Äsern und waren da in großen Mengen auf den Leichnamen der Spanier. Sie sind an Gestalt und Größe ungefähr wie ein Truthahn, das erste Mal als ich welche sah, schoß ich ihrer zwei und hielt sie für Truthühner. Diese Vögel sind so gierige Fleischfresser, daß deren vier an einem Tage einen ganzen Ochsen oder ein Pferd auffressen können. Indem sie fressen, geht es hinten wieder ab. Sie sind sehr feige, wagen kein Lebendiges anzugreifen, wie klein es auch sei, wenn es sich nur bewegt. Sie können auch nicht die Haut von einem Tier durchpicken, sondern sie picken erst die Augen heraus und machen so ein Loch darein; mit vieler Mühe kriechen sie dem Aas in den Bauch und fressen es von innen her auf, so daß es wohl an Haut und Knochen unversehrt scheint, jedoch inwendig ist das Fleisch heraus. Sie richten auch unter dem Vieh auf dem Felde großen Schaden an; denn wenn eine Kuh oder ein Pferd geworfen hat, und die Jungen durch ihre Schwachheit noch wenig Bewegung haben, picken sie ihnen alsbald die Augen aus. Sie folgen auch den Jägern in ganzen Schwärmen, gleichwie sie auch den Räubern in Panama folgten, denn da ging kein Trupp aus, bei dem nicht etwas für sie abgefallen wäre, sei es an Menschen oder Vieh. Die Spanier pflegten auch das Nahen der Räuber an ihnen zu erkennen, denn wenn sie einen Schwarm dieser Vögel in der Luft heranfliegen sahen, warnten sie einander und sagten: Die Räuber kommen! Das haben sie selbst erzählt. Diese Vögel sind auf der ganzen Festlandküste, ja auch auf einigen Inseln wie Cuba und Jamaika. Manche sagen, daß sie auch in großer Menge auf der Insel Española gewesen, jedoch durch Zauberkunst von dannen gebannt seien. Sie halten sich meist in der Umgebung der Städte und sogar in den Städten selbst auf und befreien sie von allem Unrat, der weggeworfen wird; sie sind immer auf den Häusern und Kirchen und passen auf, wo etwas für sie fällt, ja es kann aus keinem Haus ein Stück Fleisch oder etwas für sie fällt, ja es kann aus keinem Haus ein Stück Fleisch oder etwas anderes geworfen werden, so fliegen ihrer zehn oder zwanzig darauf. Sie können auch lang fasten, denn nach der Aussage vieler Menschen, die darauf geachtet haben, können sie es einen ganzen Monat ohne Fressen aushalten. Die Räuber im Kastell von Chagre erzählten auch noch, daß sie im Anfang, als sie auf die Toten flogen, so mager waren, daß man auf ihrem ganzen Leibe nicht zwei Unzen Fleisch hätte finden können, nachdem sie aber an vierzehn Tage da gewesen, wären sie so schwer als Trutzhühner geworden. Ich habe dies hier beigefügt, weil es dergleichen Vögel in Europa nicht gibt.
Nachdem nun Morgan mit seiner Schar nach Chagre gekommen war, hielt er es für ratsam, vor allen Dingen die Beute zu teilen; denn ihr Proviant begann rar zu werden. Dieses wurde also beschlossen; und auf Morgans Rat fand man auch gut, ein Fahrzeug nach Puerto Belo zu senden, um die Gefangenen der Insel Catalina an Land zu setzen und zugleich für das Kastell von Chagre Brandschatzung
Weitere Kostenlose Bücher