Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
Masten von dem Schiff abkappen und es in Brand stecken, desgleichen geschah auch mit den andern Barken, die dabei lagen, wodurch ihr Absicht vereitelt wurde. Mittlerweile wurden die Maulesel beschafft, und Morgan schickte etliche Spanier aus, Lösegeld für ihre Frauen, Kinder und Sklaven zu holen, auch einige Mönche, sich selbst und ihre als Geisel zurückgelassenen Brüder auszulösen. Hierauf ließ Morgan alle Stücke vernageln und die Ohren abbrechen. Auch wurde zwei Tage vor ihrem Abzug ein Trupp ausgesandt, um Kundschaft vom Gouverneur von Panama einzuziehen; denn er hatte durch Gefangene erfahren, dass der Gouverneur Mannschaft zusammengebracht und verschiedene Embuskaden gemacht habe, den Räubern den Rückzug abzuschneiden. Der Trupp kam wieder und berichtete Morgan, dass sie keine spanische Verschanzung gefunden. Etliche Gefangene, die sie mitbrachten, sagten aus, der Gouverneur hätte wohl Truppen sammeln wollen, doch seien sie ihm wieder entlaufen, so daß er aus Mangel an Leuten sein Vorhaben nicht hätte ausführen können.
Am 24. Februar des Jahres 1670 verließ Morgan mit seiner ganzen Streitmacht die Stadt Panama samt hundertfünfundsiebzig Mauleseln mit gebrochenem und gemünztem Silber beladen und fünf- bis sechshundert Gefangenen, sowohl Männern und Weibern als Kindern und Sklaven. Am gleichen Tage kamen die Räuber etwa eine Meile Wegs von der Stadt an das Ufer eines Flusses auf ein schönes Feld; daselbst kampierten sie rings im Kreise, die Gefangenen wurden in die Mitte gesetzt. Man hörte die ganze Nacht nichts als Wehklagen und Weinen von all den Weibern und den vielen kleinen Kindern, die nicht anders meinten, als würden die Räuber sie mit sich in ihr Land nehmen: das eine rief nach seinem Vater, das andere nach seinen Freunden, das dritte nach seinem Vaterlande. Und das Schlimmste war, daß diese armen Menschen großen Durst und Hunger litten. Es war jämmerlich, so viele arme Frauen mit kleinen Kindern an der Brust zu sehen, die nichts hatten, die arme Brut zu nähren. Sie baten Morgan auf ihren bloßen Knien, er möge sie gehen lassen, doch vermochte das Klagen dieser Elenden ihn nicht zum Mitleid zu bewegen. Er antwortete, er wäre nicht gekommen ihr Flennen anzuhören, sondern Geld zu holen, ohne das würden sie seinen Händen nicht entrinnen – also war der Trost beschaffen, den diese Unglücklichen bei Morgan fanden.
Am nächsten Tag ließ er sein Volk mit allen seinen Gefangenen vorausmarschieren, er selber folgte nach, hier ging das Winseln und Schreien wieder aufs neue an. Ein Trupp der Räuber zog voraus, die Gefangenen in der Mitte, der andere Trupp der Räuber hintennach. Die schöne Frau, von der wir vorher erzählt haben, ließ Morgan allein zwischen zwei Räubern marschieren, da mußte die Arme großes Ungemach erleiden, sowohl durch die Sonnenglut als durch die Mühseligkeit des Weges, gleich andern Frauen, die das nicht gewöhnt waren. Morgan hinderte nicht, daß man den Frauen Gutes tat, nur bei dieser Unglückseligen (ich nenne sie nicht ohne Ursache unglückselig, denn das Unglück schien sie allenthalben zu verfolgen), ließ er es nicht zu. Sie hatte einigen Mönchen ihrer Bekanntschaft, denen sie vertraute, Auftrag gegeben, das Geld zur Bezahlung ihrer Ranzion zu holen; jedoch anstatt die Ranzion für sie zu bezahlen, lösten sie mit dem Gelde der unglückseligen Frau ihre Mitbrüder aus; wäre es nicht durch einen Sklaven, der einen Brief an sie brachte, herausgekommen, Morgan hätte sie mit nach Jamaika geführt. Da aber die Räuber selber sahen, daß das Geld von der Frau herrührte, ließen sie sie gehen und hielten die Mönche fest. Als nun Morgan an das Dorf gekommen war, das am Ufer des Rio de Chagre liegt, machte er allen Gefangenen kund, sie sollten binnen drei Tagen ihre Ranzion aufbringen, andernfalls werde er sie mitnehmen. Inzwischen ließ er Reis und Mais zur Verproviantierung zusammenbringen. Ein Teil der Gefangenen wurde dort ausgelöst.
Morgan verließ darauf am 5. März das Dorf Cruz mit all seiner Beute und den Gefangenen, die noch nicht bezahlt, wie auch den Mönchen, die das Geld der Kaufmannfrau vorenthalten hatten, doch waren diese kaum auf der Hälfte des Weges nach Chagre, als auch ihr Geld kam und sie ausgelöst wurden. An dieser Stelle hieß Morgan auch seine Leute sich versammeln und stellte ihnen vor, wie es ihre alte Gewohnheit sei (deren ich im zweiten Teil dieser Erzählung Erwähnung getan), einen Eid abzulegen, daß niemand,
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