Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
zu heischen. Zwei Tage hernach kam das Fahrzeug wieder mit der Nachricht, daß die Spanier keine Brandschatzung geben wollten. Am nächsten Tage bekam jede Kompagnie ihren Anteil an der Beute oder wenigstens soviel als Morgan ihr gönnte, welches dann wieder in kleine Teile geteilt wurde. Man befand, daß jedermann für seinen Part zweihundert Stück von Achten bekam. Das Bruchsilber wurde zu zehn Stück von Achten das Pfund gerechnet, verschiedene Juwelen wurden um ein Schandgeld verkauft und viele Juwelen vermisst, weswegen Morgan öffentlich von den Räubern geziehen wurde. Als er nun sah, dass das gemeine Volk so einmütig gegen ihn zu murren begann, traf er unverzüglich Anstalt zur Abreise. Er ließ das Kastell demolieren und in Brand stecken, nachdem er die metallenen Kanonen heruntergeholt und an Bord seines Schiffes gebracht hatte. Und so ging er unter Segel, ohne das gebräuchliche Zeichen zu geben, mochte ihm folgen, wer konnte. Es folgten ihm aber nur drei oder vier Schiffe, worauf seine Mitwisser waren, die nach der Meinung der Räuber mit ihm geteilt hatten. Die französischen Räuber setzten ihm mit drei oder vier Schiffen nach, in der Absicht über ihn herzufallen, wenn sie ihn ersegeln könnten. Jedoch er war mit Viktualien aufs beste versehen und brauchte sich nirgends aufzuhalten, die andern aber konnten das nicht: der eine blieb hier, der andere dort, um seine Nahrung zu suchen und genügend Proviant zur Rückfahrt nach Jamaika zusammenzubringen.
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Der Reisebeschreiber nimmt seinen Weg längs der Küste von Costa Rica und erzählt was daselbst vorgefallen, als auch was er daselbst beobachtet hat
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Nachdem wir uns von Morgan getrennt hatten, verfolgten wir unsere Reise längs der Küste von Costa Rica, daselbst einen Platz zu suchen, wo wir einige Viktualien bekommen und zugleich auch unser Schiff kalfatern konnten, das leck und sehr schadhaft war. Kurz darauf kamen wir in eine große Bai genannt Boca del Toro, wo sehr gute Gelegenheit ist, Schilfrohr zu holen und auch Proviant von Schildkrötenfleisch. Diese Bai hat im Umkreis ungefähr zehn Meilen und ist ganz von Inseln umschlossen, so daß man in ihr vor allen Winden geschützt ist. Rundum ist sie von verschiedenen Nationen der Indianer bewohnt, welche die Spanier unter ihre Botmäßigkeit nicht haben bringen können, deshalb werden sie von ihnen Indios bravos genannt. In solch kleinem Bezirk sind verschiedene Nationen, die einander nicht verstehen und beständig gegeneinander kriegen. An dem Osteck dieses Meerbusens sind Indianer, die früher mit den Räubern zu handeln pflegten; sie brachten ihnen alles, was sie brauchten, Mais, Kassave und allerlei Früchte des Bodens, ja auch Hühner, Schweine und andere Tiere, die man da findet. Die Räuber gaben ihnen dagegen alte Eisenwerkzeuge, Korallen und allerlei Dinge, die diese Menschen als Zierrat gebrauchen. Dort war allezeit für die Räuber eine Zuflucht gewesen, wenn sie es nötig hatten, doch haben sie es mit den Indianern so getrieben, daß nicht einer von ihnen mehr an Land kommen darf, weil sie ihnen nämlich einmal die Frauen geraubt und die Männer totgeschlagen haben; seit der Zeit haben die Indianer mit ihnen nicht mehr wollen handeln.
In dieser Bai angekommen gingen wir unverzüglich an den Platz, wo wir etwas zu unserer Leibesstärkung zu fangen hofften, fanden jedoch nichts, so daß wir uns mit Krokodileiern begnügen mußten, die am Ufer unter dem Sand vergraben lagen. Wir begaben uns hierauf auf die Ostseite der Bai, wo wir drei Schiffe unserer Kameraden fanden, die gleichfalls unter Morgan gewesen. Diese waren mit derselben Absicht wie wir dahin gekommen, allein sie hatten es dort sehr schlecht, denn sie mußten sich selbst auf Ration setzen, nämlich nur einmal des Tags Speise zu sich nehmen, solange bis ihre Schiffe ausgebessert waren und sie davon konnten. Als wir sahen, daß es dort also bestellt war, verzogen wir uns von Stund an und segelten nach dem westlichen Teil, wo wir einen recht guten Schildrötenfang taten, so daß wir üppig davon lebten. Wir hatten da einige Zeit gelegen, als uns das Wasser zu mangeln anfing, nicht etwa, daß keines vorhanden war, aber wir wagten es nicht zu holen, von wegen der Indianer. Gleichwohl, die Not zwang uns zuletzt, mit allen Leuten an den Fluss zu gehen, um Wasser zu holen: ein Teil lief buschwärts, indes die andern die Gefäße füllten; doch hatte unser Volk kaum eine Stunde an Land verbracht, als es von
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