Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
vermeinte in seiner Not, im Strom einen sichern Hafen zu finden und steuerte geradewegs hin; doch kaum war es dem einen Wolf mit genauer Mühe entronnen, lief es dem andern in den Rachen, denn kaum in dem Fluße, merkte es gar bald, daß es in Feindeshände gefallen war. Es war hauptsächlich mit Proviant geladen, der den Räubern sehr gut zustatten kam, da sie im Kastell schlecht damit versehen waren.
Dies gab Morgan Ursach, länger in Panama zu verweilen und das ganze Land abzulaufen und zu plündern. Während nämlich ein Teil auf See zu rauben ging, taten die andern desgleichen zu Lande: täglich zog eine Partei von zweihundert Mann aus, und wenn die eine zurückkam, war die andere schon bereit; hierdurch brachten sie große Beute und viel Gefangene auf. Diesen taten sie die fruchtbarsten Grausamkeiten und alle Foltern an, die sie erdenken konnten, nur damit einer den andern verrate, wo er sein Geld verborgen. Unter andern fanden sie einen armen, gebrechlichen Mann in einem vornehmen Hause außerhalb der Stadt, dieser arme Mann hatte sich mit einem schönen Hemde und einer seidenen Hose, die er in dem Hause gefunden, herausgeputzt, an der Nestel dieser Hose war ein silberner Schlüssel angemacht. Die Räuber fragten ihn nach der Truhe, zu der dieser Schlüssel gehöre. Er sagte, er hätte die Truhe nicht, sondern nichts als den Schlüssel in dem Haus gefunden. Weil sie nun kein anderes Bekenntnis aus ihm herauskriegen konnten, wippten sie ihn, daß seine beiden Arme ganz aus der Pfanne gerenkt wurden, rädelten ihm darauf den Kopf dergestalt, daß ihm die Augen so dick als Eier herausquollen, und als er auch dann nicht bekannte, hingen sie ihn beim männlichen Gliede auf, der eine schlug ihn, der andere schnitt ihm die Nase ab, der dritte ein Ohr, der vierte sengte ihn, also daß sie nicht grausamer mit ihm verfahren konnten. Zuletzt, als er nicht mehr reden konnte, und sie keine Tormenten mehr übrig hatten, ihn zu peinigen, ließen sie ihn durch einen Mohren mit einer Partisane tot stechen. Solcherlei Grausamkeiten haben sie viel mehr verübt. Ja selbst die Mönche fanden wenig Pardon bei Ihnen; hätten sie nicht gehofft, Geld durch sie zu bekommen, sie würden sie wohl alle umgebracht haben. Die Weiber verschonten sie gleichfalls nicht, außer die, so ihren Willen taten; freilich, auch, wenn sie nicht wollten, wußten sie sie doch dazu zu bringen. Sie holten sie aus der Kirche, in der sie gefangen waren, heraus unter dem Vorwand, daß sie sie zum Waschen brachten. Wenn sie sie dann ihrer Gewalt hatten, taten sie ihren Willen mit ihnen oder peinigten sie mit Schlägen, Hunger und anderen Plagen mehr. Morgan, als ihr General, hätte darin ein Vorbild abgeben und Ordnung halten sollen, jedoch war er selbst nicht besser als die anderen, denn wenn man ein schön Weib gefangen brachte, versuchte er sie allsogleich in Unehre zu bringen. Dieweil sich hier die Gelegenheit darbietet, will ich eine Geschichte erzählen, von einer Frau, der ob ihrer Standhaftigkeit unsterblicher Ruhm gebührt.
Die Räuber, die von einer Meerfahrt zurückgekommen waren, hatten von den Inseln Tavoga und Tavoguilla einige Gefangene mitgebracht, unter ihnen eines reichen Kaufmanns Frau, jung und sehr schön. Ich will hier ihre Schönheit nicht abmalen, sondern nur sagen, daß es keine schönere in Europa geben kann. Der Mann war nach Peru gefahren, um dort nach dieser Lande Gelegenheit einigen Handel zu betreiben, und diese Frau war mit ihrem Gut samt einigen Anverwandten geflüchtet. Sobald sie vor Morgan gebracht und von ihm erblickt wurde, ließ sie von Stund an von ihren Angehörigen absondern und mit einer Sklavin allein in ein Gelaß bringen, obwohl die Frau mit Tränen in den Augen bat, bei den Ihren bleiben zu dürfen. Er ließ sie mit allem, was sie nötig hatte, versorgen und schickte ihr zu allen Mahlzeiten eine Schüssel oder zwei von seiner eigenen Tafel, ungeachtet er ihr eine Sklavin als Köchin beigegeben hatte. Anfänglich hielt die Frau es für eine Ehrbarkeit von Morgan und verwunderte sich sehr darüber, dachte in ihrem Sinne, die Räuber seien so bös nicht, als ihr und vielen andern Frauen von den Spaniern berichtet worden war. Denn als die Spanier aus der Stadt gegen die Räuber zogen, wurden einige unter ihnen von ihren Weibern ersucht, ihnen doch etwas von den Ladrones (so nennen sie die Räuber) zum Andenken mitzubringen. Andere, die noch neugieriger waren, baten dem Gefecht von ferne zuschauen zu dürfen, allein
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