Piratenblut
Und so antwortete Michel ebenfalls auf englisch:
»Bevor ich nach Kalkutta kam, hatte ich mein Gewehr vergraben. Ihr wißt, was für eine Kostbarkeit es darstellt. Ich war eben fort, um es wieder zu holen.«
Er deutete auf ein längliches Bündel, das in eine schmutzige Decke gehüllt hinter dem
schlechten Sattel befestigt war.
»Ein Pferd habt Ihr auch gekauft?« fragte Marina.
»Ja. Leider habe ich für meine beiden Freunde keine mitbringen können; denn der persische
Händler war zu unverschämt mit seinen Preisen.«
Michel wandte sich nunmehr an Stineway.
»Was verschafft mir die Ehre Eures Besuchs?«
Stineway sah Marina an und meinte:
»Mylady hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß Ihr ein guter Geschichtenerzähler seid. Ihr
müßt wissen, daß ich Berichterstatter beim »Daily Courant« bin. Geschichten aus Indien fesseln
den Leser immer.«
Michel blickte fragend zu Marina. Diese meinte:
»Ja, Ihr habt richtig verstanden, Miguel. Mr. Stineway interessiert sich besonders für die Story über den Radscha von Bihar.«
Stineway schüttelte den Kopf.»Davon habe ich nichts gesagt. Das Thema ist Euch überlassen.« »Es ist ein gutes Thema«, sagte Michel, der Marinas Absichten sofort verstanden hatte. »Ein Thema, über das sich so mancher Leser seine Gedanken machen wird. Ich war nämlich mit Lord Hawbury in Bihar und habe die Geschichte der Eroberung und die persönlichen Schicksale der Würdenträger des Fürstentums vom ersten Tag an miterlebt. Wenn Euch ein
Augenzeugenbericht interessiert, so laßt Euch auf die Matte nieder und hört mich an.« Der lange Engländer setzte sich und nickte.
»Weiß Gott, Stories von einem Augenzeugen sind das Interessanteste, was es gibt. Ich bin gespannt. Ihr gestattet, daß ich mir einige Notizen mache.«
»Oh, ich bitte darum. Die Einzelheiten sind wesentlich. Und der Sinn einer Zeitung ist doch, so wahrheitsgetreu wie möglich zu schildern. Ja, das war also im Sommer vorigen Jahres. Zu dieser Zeit kamen wir in Kalkutta an, und ich wurde als Begleiter für Lord Hawbury angestellt. Wir gingen, das heißt, wir ließen uns alle in Sänften nach Bihar tragen. Eine angenehme Art des Reisens übrigens.«
Michel gab einen ausführlichen Bericht über seine Abenteuer bis zur Verhaftung Tschams. Er ließ auch nicht die schmutzigen Geschäfte des Mr. Fox außer Betracht. Er nutzte die
Gelegenheit, um die Schuldigen anzuklagen und um seiner Meinung über die Verhaftung, die eigene sowohl wie die des Radscha, Ausdruck zu verleihen. Stunde um Stunde verrann.
Zuerst glitt der Bleistift Stineways nur zögernd über die Seiten. Er mochte vieles, was der Pfeifer erzählte, als Verleumdung gegen die Maßnahmen der Kompanie auffassen. Aber nachdem eine Weile vergangen war, spürte er doch heraus, daß da vor ihm ein Mann saß, den nicht nur die Erbitterung und der Zorn zu dieser Geschichte trieben, sondern der inneren Anteil nahm an den Geschicken eines geistig so hoch entwickelten Landes und an den Schicksalen seiner fähigsten Söhne.
Die Kirchenglocken von Kalkutta sandten ihre verhallenden Schläge bis hierher. Als Stineway sich erhob, war es zehn Uhr geworden. Das Papier, das er beschrieben hatte, war ausgegangen. Und so bekritzelte er auch noch die Ränder der neuesten Zeitung, die er zufällig bei sich hatte. »Ein Skandal«, sagte er. »Eine Ungeheuerlichkeit. Und Ihr seid fest davon überzeugt, daß Hastings über diese Dinge Bescheid weiß?«
»Er weiß nicht nur Bescheid, er ist der Urheber. Er und Impey stecken unter einer Decke. Das Recht wird beim Obersten Gerichtshof in Kalkutta mit Füßen getreten. Der einzige Wahlspruch, der über all diesen Handlungen steht, lautet: Recht ist, was einzig und allein der Kompanie nützt.«
Stineway steckte sorgfältig die beschriebenen Seiten und die Zeitung in seine Ledertasche. »Ihr also, den man den Pfeifer nennt, seid jetzt auf der Flucht.«
»Ja«, sagte Michel. »Fragt einmal in Kalkutta nach, weshalb man ein ganzes Rifleregiment nach Islamabad und Kumilla entsandt hat. Die Soldaten sollen uns dort fangen. Das heißt, sie sollen uns den Fluchtweg an der Küste abschneiden. Für uns gibt es nur eine Rettung, nämlich hier zu warten, bis den Herrschaften das Suchen nach uns zu langweilig wird. Ich hoffe, ich kann mich auf Eure Verschwiegenheit verlassen.« Der lange Engländer sah empört auf.
»Kein Mensch erfährt von mir ein Sterbenswörtchen. Bin doch mal gespannt, was die Londoner sagen, wenn sie diesen Bericht
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