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Piratenblut

Piratenblut

Titel: Piratenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernst Guben
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im Lauf des Nachmittags komme ich allein mit einem Fremden zu Euch. Bis dahin geduldet Euch.« »Wollt Ihr mir diesen Plan nicht verraten?«
    »Nein, er ist zu phantastisch. Ich möchte nicht, daß Ihr über mich lächelt.«
    Ihre Stimme war dunkel, als sie die letzten Worte sagte. Ein glutvoller Blick aus ihren Augen
traf Michel. Mit festem Druck reichte sie ihm die Hand.
Kurz darauf verklangen die Hufschläge stadtwärts.

    16

    Richard Stineway saß bei einem Glas Whisky auf der schattigen Loggia des Cardiff-Hotels. Seine Beine lagen auf dem Tisch. Der Schweiß rann ihm in Strömen über das Gesicht. Trotz der frühen Jahreszeit brannte die Sonne mit steigender Intensität.
    Er saß da und dachte nach, das heißt, er versuchte nachzudenken. Immer, wenn ein Satz in seinem Kopf fertig war, zerrann er wieder, bis der Korrespondent zum Bleistift greifen konnte. In den letzten Wochen war ihm die Zeit lang geworden. Über die Einnahme von Bihar hatte er schon berichtet. Und sonst gab es keine Neuigkeiten, wenigstens keine, die für Richard Stineway erreichbar gewesen wären.Vor ein paar Tagen hatte er einen Brief von seinem Zeitungsverleger erhalten. Darin wurde er dringend gebeten, doch endlich einen möglichst spannenden Bericht zu bringen; denn die Leser hungerten nach Neuigkeiten. Und unglücklicherweise war auch in Europa zu dieser Zeit gerade kein Krieg.
    Stineway zog den Hut tiefer in die Stirn und schloß die Augen. Eine Geschichte — was diese Schreibtischleute sich immer so einbildeten! Wo sollte er eine solche Geschichte hernehmen? Trotz monatelanger Bemühungen war es ihm bis heute nicht gelungen, bis zum
    Generalgouverneur oder dessen engsten Mitarbeitern vorzudringen, um ein Sonderinterview zu erhalten. Er wußte, daß die Herren auf die Presse nicht gut zu sprechen waren. Selbst in Regierungskreisen Londons begegnete man ihr noch mit Mißtrauen und unterdrückte sie, wo man konnte. Aber in England war sie ein Faktor, der aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken war, Selbst der König mußte mit ihm rechnen. Doch hier in Kalkutta, hier waren die kleinen Könige viel selbstherrlicher und viel anmaßender als Seine Majestät in London. Als Stineway bei diesen Überlegungen angekommen war, trat ein Boy an seinen Tisch, kreuzte die Hände über der Brust und verbeugte sich. Mit seinem englisch-hindustanischen Sprachgemisch störte er den Nachdenklichen auf.
    »Stineway Sahib, in der Halle ist eine Mem-Sahib, die dich zu sprechen wünscht.«
Stineway schob den Hut wieder ins Genick.
»Eine Mem-Sahib — — mich?«
»Ja, Sahib. Eine Weiße mit schönen roten Haaren.«
    »Mit roten Haaren — — hm — — ah, ich weiß schon. Ich komme.« Der Junge verbeugte sich abermals und lief geschwind hinweg.
    Stineway erhob sich und schüttete den Rest Whisky hinunter. Ein paar Sekunden später steuerte er auf die Dame zu, die in einem Sessel Platz genommen hatte. Mit elegantem Schwung schleuderte er den Hut auf einen Haken und verbeugte sich vor Marina.
    »Was verschafft mir die Ehre Eures Besuches, Gräfin?« fragte er.
»Setzt Euch«, war Marinas Antwort.
»Darf ich Euch vielleicht zu einem Whisky einladen?«
»Nein, danke. Ich mag das scharfe Zeug nicht.«
»Nun denn, kann ich Euch irgendwie behilflich sein, Mylady?«
    »Ihr mir?« stellte sich Marina erstaunt. »Keineswegs. Ich möchte Euch behilflich sein. Ich sagte Euch doch bei unserer ersten Begegnung bereits, wie sehr ich die Presse schätze. Nun, ich habe da eine hübsche kleine Geschichte, die spannend ist, Inhalt hat und den Vorzug besitzt, obendrein noch wahr zu sein. Das heißt, wenn Ihr Euch dafür interessiert.«
    Stineways Gesicht glänzte. Es zuckte förmlich in seinen Fingern. Am liebsten hätte er sich gleich Papier und Bleistift bringen lassen, um mitzuschreiben. Aber das war damals in Gegenwart einer Dame nicht möglich. Man mußte das Gesagte im Kopf behalten, um es später niederzuschreiben. »Ihr macht mich glücklich, Gnädigste. Seit Wochen bin ich auf der Jagd nach einer guten Story. Ich biete jeden Preis und scheue keine Mühe, vorausgesetzt, daß sie für meine Londoner Leser wirklich interessant ist.«
    »Darauf könnt Ihr Euch verlassen. Nun erfordert aber jeder Dienst auch einen Gegendienst. Bevor Ihr dasMaterial zu dieser Geschichte bekommt, müßt Ihr mir versprechen, daß Ihr keinem Menschen in Kalkutta die Quelle angebt, daß Ihr aber eine Kopie dieser Geschichte an den Generalgouverneur schickt, und zwar erst dann, wenn

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