Piratenblut
Barmittel aufgebraucht hatte, gab er Aktien aus, allerdings nur fünfundzwanzig Prozent des Gesamtkapitals. Na, und fünf Prozent davon sind in meinem Besitz.«
René hatte aufmerksam zugehört. Eine Unmutsfalte stand auf seiner Stirn.
»Wer hat sonst noch Aktien, etwa auch kleine Leute?«
Mynheer van Meeren schüttelte den Kopf.
»Nein. Soweit ich unterrichtet bin, würde den meisten ihre Einbuße nicht wehtun. Die Besitzer
der Anteilsdieme sind alle Großkaufleute, die in den van Groot-schen Aktien eine gute
Vermögensanlage erblicken.«
»Und wie seid Ihr dazu gekommen?«
»Durch den Bruder des Reeders, Jan van Groot, den größten Plantagenbesitzer auf Banda. Ich kenne ihn gut, und er empfahl mir, mein Vermögen in diesen guten Stücken anzulegen. Kein Mensch rechnete ja mit dem Auftauchen irgendeines dahergelaufenen Seebanditen.«
»So seid Ihr mehr oder weniger der einzig wirklich Geschädigte, nicht wahr?«
»Ich glaube schon.«»Nun gut«, sagte René. »Ich werde mir den Vorschlag überlegen. Vielleicht sollte man ihn wirklich vernichten, diesen Dieuxdonné.«
»Sollte? Man muß ihn vernichten«, warf Herr de Witt ein. »Solche Kreaturen gehören an den Galgen.«
»Hm«, machte René einsilbig. »Ich werde es mir wirklich überlegen.«
»Ihr habt keine Lust, die »Utrecht« nach Batavia zu begleiten? Wir laufen morgen aus.« »Nein«, bedauerte René. »Ich habe noch einen anderen Auftrag zu erledigen. Ich laufe übrigens auch morgen aus, aber nach der entgegengesetzten Richtung.« »Schade«, sagte de Witt. »Schade«, schloß sich van Meeren an.
55
Als René auf sein Schiff zurückkehrte, trat ihm der Oberbootsmann mit Leichenbittermiene entgegen.
»Es ist wie verhext, mon Capitain«, sagte er. »Wir haben nicht herausfinden können, wann die »Utrecht« in See sticht. Entweder wissen es die Matrosen nicht, oder es ist ihnen eingeschärft worden, nichts darüber verlauten zu lassen.« Der junge Kapitän schlug dem Alten gutmütig auf die Schulter.
»Mach dir nichts draus, Pierre. Dafür weiß ich es. Ich kenne sogar die genaue Route. Sie stechen
morgen in See und fahren nach Batavia.«
»Ihr seid ein Teufelskerl. Wer hat Euch das gesagt?«
»Mynheer de Witt.«
»Und wer ist dieser Monsieur?«
»Der Kapitän der »Utrecht««, lachte René.
»Teufel, Teufel! Ausgerechnet der hat Euch das verraten? Man sollte es nicht für möglich halten!«
»Wundere dich nicht. Der Rachegott ist mit uns. Morgen früh um sechs laufen wir aus, und zwar zuerst nach Norden. Dann schlagen wir einen Bogen und fassen die »Utrecht« auf offener See in der Flanke. Vielleicht schon morgen abend, vielleicht aber auch erst in den nächsten Tagen. Wer weiß.« —
Als der Morgen graute, hievten sie den Anker ein und gingen in Wind. Als sie den Hafen hinter sich hatten, kreuzten sie ein Stück nach Norden, bis gegen Mittag, um bald darauf auszuscheren. Gegen Abend kam schwere Dünung auf.
»Wir werden doch keinen Sturm kriegen«, sagte René zu Pierre und betrachtete kritisch den Zug
der Wolken.
»Es sieht fast so aus, mon Capitain.«
»Dann müssen wir damit rechnen, daß wir die »Utrecht« verfehlen.«
Die Wogen schlugen immer höher. Der in diesen Breiten übliche Ostpassat änderte schlagartig seine Richtung und kam aus Süden. Dunkle Wolken türmten sich am Himmel. Die Sonne versank, und das dunkle Grau ging bald in eine blitzzerrissene Nacht über.
Pierre bekam plötzlich einen heftigen Schreck. Er schlug sich mit der flachen Hand vor den
Kopf, daß es knallte. Dann stürmte er auf die Back, wo sich der Kapitän, Ausschau haltend,
aufhielt.
»Was ist, Pierre?«
»Oh, ich Esel, ich Unglückswurm, ich habe das Wichtigste vergessen! Ich habe die weiße Farbe nicht abklopfen lassen.«
»Mon Dieux«, der Kapitän ließ das Glas sinken, »eine schöne Bescherung. Nun können wir sie nicht einmal angreifen, selbst wenn sie uns jetzt vor die Rohre kämen.«
»Soll ich Befehl geben, daß die Leute es sofort in Angriff nehmen?«
»Bei diesem Sturm? Das wäre Selbstmord. So bleibt uns nichts übrig, als zu warten, bis die See wieder ruhig geht. Wir müssen den Angriff eben verschieben. Wir haben ja auch genügend Zeit; denn von heute auf morgen fährt kein Schiff nach Batavia.«
Gegen Morgen erst wurde das Wetter ruhiger. Und als die Sonne wieder klar am Himmel stand, hingen die Männer der Freiwache außenbords angeseilt und klopften die Kalkfarbe vom Rumpf.
Am Mittag meldete der Ausguck ein Schiff.
Man ließ es
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