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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Geisler
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heimlich Google um Rat: »Pirat Neuling Berlin«. Ich lande auf einer »Wiki«-Seite der Berliner Piratenpartei. »Du bist interessiert und möchtest uns genauer kennenlernen?«, steht dort fett gedruckt. Darunter eine Liste mit Adressen, Terminen und Links – vom wöchentlichen Piratenstammtisch im »Kinski Club« in Berlin-Neukölln bis zum »Counsellor Squad« für alle, die »Probleme oder Sorgen« haben. Danke, so schlimm ist es bis jetzt noch nicht.
    »Halt dir mal den nächsten Dienstagabend für die Kinder frei«, verkünde ich meinem Freund. »Da geh ich zum Stammtisch im Kinski. Ist ein wichtiger Piratentreffpunkt.« Es klingt verblüffend überzeugt.

2 »Schade, dass es das Internet vor 100.000 Jahren noch nicht gab«
    2 »Schade, dass es das Internet vor 100.000 Jahren noch nicht gab«
Ein Berliner Piratenstammtisch bedient alle Klischees, und ich bin kurz davor zu flüchten
    Der Pirat im Eingangsraum der Neuköllner Kneipe trägt das Motto auf der Brust. Fünf Buchstaben, leuchtend orange umrahmt: B A S I S . Daneben klein das Logo der Partei. Der Aufdruck ist kein Werbegag. Er ist ein Bekenntnis.
    Ich weiß noch nicht viel über diese Partei, eines aber habe ich verstanden: Wer ein großer Pirat werden will, der sollte sich klein machen. »In der Partei habe ich nichts zu sagen, ich habe genau eine Stimme, genau wie jeder andere Pirat auch.« Diese Behauptung stammt nicht etwa von mir, sondern von der Parteiikone Marina Weisband. Egal, wie viele Journalisten die Mittzwanzigerin in ihrer Zeit als Politische Geschäftsführerin umzingelten, stets predigte sie Bescheidenheit: Die klassischen Hierarchien solle man vergessen. Bei den Piraten funktioniere politische Einflussnahme in umgekehrter Richtung: »In dieser Partei schläft man sich nach unten.«
    Ich müsste also heute Abend die perfekte Beute für jeden Piraten sein: Dies ist mein erster Ausflug ins Parteileben. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Meinen Mitgliedsantrag habe ich erst vor einer Woche ausgefüllt, ich habe bisher kein Parteibuch und bin im Internet ein Niemand. Beim Kurzmitteilungsportal Twitter verfolgen mehr als 31.000 Menschen die Neuigkeiten von Marina Weisband. Wenn ich etwas bei Twitter schreibe, interessiert das gerade mal sieben andere Leute. Weiter unten geht kaum.
    Ich stehe in der Tür zum »Kinski«, einer efeuberankten Kneipe mitten in »Kreuzkölln«, einem trendigen Westberliner Studentenkiez zwischen Kreuzberg und Neukölln. Es ist Dienstagabend, Berliner Piratenstammtisch. Dass der Stammtisch im »Kinski« stattfindet, ist das Ergebnis einer basisdemokratischen Abstimmung. Im Sommer 2010 wurde die Kneipe mithilfe der Meinungsbildungssoftware Liquid Feedback zum wöchentlichen Treffpunkt der Berliner Piraten bestimmt. Sie bekam 74 Ja-Stimmen bei neun Nein-Stimmen und vier Enthaltungen. Der »Club mit Kultstatus«, hieß es damals im Antragstext, sei »etwas vergammelt, schlecht beleuchtet, trotzdem gemütlich«.
    Zwei Jahre später hat sich daran nichts geändert: Die Ledersofas sehen nach durchgesessener Flohmarktware aus, der fleckige Putz an den Wänden wirkt im Schummerlicht fahl. Gemütlich? Gemessen an den kargen Hallen, in denen Computerspiel-Fans ihre Lan-Partys feiern oder Hacker-Konferenzen stattfinden, zweifellos.
    Gut zwanzig Männer sitzen an diesem Dienstagabend im schiefen Stuhlkreis um den Piraten im »Basis«-Shirt herum. Studenten, Familienväter, Rentner. Nie habe ich so viele Pferdeschwanzträger mit Mittelscheitel in einem Lokal gesehen. Nie so viele Club-Mate trinkende Jungs, die aussehen, als hätten sie einen beachtlichen Teil ihrer Jugend daheim einsam in den Computer geschaut. Außer mir entdecke ich nur eine Frau im Raum.
    Insgeheim hatte ich gehofft, die Piraten sähen in echt ganz anders aus als in all den Reportagen, die ich in den vergangenen Monaten gelesen und angeschaut habe. Doch der Anblick im »Kinski« deckt sich verblüffend mit dem Klischee.
    Ich lasse mich in ein tiefes Sofa hinter der Eingangstür fallen. Der Mann neben mir, Mitte dreißig, einer der wenigen Gäste im Jeans-und-Hemd-Look, findet sein Smartphone leider spannender als mich. Die meisten im Raum tippen auf ihren Telefonen herum oder schauen an ihren Sitznachbarn vorbei.
    Vorne ergreift der schlaksige Pirat im »Basis«-T-Shirt das Wort. Er hält einen Kurzvortrag für alle Neuen und klingt dabei so wahnsinnig gut drauf wie Morgenmoderatoren im Privatradio. Gerade erklärt er eine Parteimaxime – das

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