Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls
einen Schluck brauchen, damit meine Hand nicht so zittert«, beharrte Malvery.
»Deine Hand zittert nicht, Doc. Los jetzt. Verdien dir deinen Platz.«
» Ich?«, brüllte Malvery. »Du bist gerade mal vier Monate an Bord, du arroganter Scheißkerl!«
»Ja. Und in Tarlock Cove habe ich euch alle gerettet. Bess hat euch vor Kedmund Drave bewahrt. Ich habe in Scorchwood Heights Grephens Pläne aufgedeckt, und ohne Bess hätten wir Dracken niemals die Karten abnehmen können. Wir haben unseren Teil getan. Pinn und Harkins fliegen, Jez
navigiert, Silo hält das Schiff am Laufen. Was tust du, was keiner von uns tun könnte? Eine Flinte abfeuern? Hin und wieder die Maschinenkanone bedienen? Du bist ein Chirurg, der nicht operiert, Malvery! Du bist nutzloser Ballast!«
Malverys Gesicht verzerrte sich vor Zorn. Er sprang über den Tisch, um ihn zu packen, aber Crake war zu schnell. Er brachte sich in Sicherheit.
»Dann beweise mir, dass ich mich irre! «, rief er. »Schneide ihn auf! Stille die Blutung und rette ihm das Leben!«
Malverys riesige Hände ballten sich zu Fäusten und öffneten sich wieder. Sein Gesicht war zornrot. Einen Moment lang glaubte Crake, er würde ihn wirklich angreifen; aber dann wandte er sich ab und stampfte zu der hölzernen Anrichte hinüber, die an der Wand befestigt war. Er zog eine Schublade auf und nahm ein Skalpell heraus. Die chirurgischen Instrumente waren die einzigen sauberen Dinge in dem schmutzigen Raum. Malvery kam zum Tisch zurück und starrte Crake an.
»Ja, in Ordnung, ich schneide ihn auf, verdammt nochmal«, knurrte er. »Und du bleibst hier und hilfst mir.«
Crake krempelte die Ärmel hoch. »Sag mir, was ich tun soll.«
Frey saß im Pilotensitz und starrte in den Nebel hinaus. Sein Luftfilter hing ihm noch um den Hals, obwohl über eine Stunde vergangen war, seit sie den Lavastrom mit seinen giftigen Dämpfen überquert hatten. Jez las Richtungsangaben und Koordinaten von der Navigatorenstation hinter ihm ab, und er folgte ihnen automatisch. Hin und wieder zog sie den Kompass zurate und warnte ihn vor einer fernen Mine, die den Minensuchern der Marine entgangen war, aber sie war immer zu weit weg, um eine Gefahr darzustellen.
Frey achtete kaum auf das, was er gerade tat. Er flog diese Route nun zum vierten Mal, und sie hatte jetzt ihren Schrecken für ihn verloren. Er vertraute Jez. Harkins und Pinn folgten seinen Lichtern durch die Waschküche. Was die Marine betraf, so konnte sie sich ihren Weg nach draußen selbst suchen.
Er dachte an Silo. Das schwarze Gespenst des Verlusts hing über ihm. Es war nicht allein der Gedanke, dass Silo sterben könnte – Frey war bereits von der Tiefe seiner Gefühle für den schweigsamen Ausländer überrascht worden –, sondern auch die Vorstellung, dass er ein Mitglied seiner Crew verlieren würde. Mit jeder neuen Gefahr, die sie überstanden, betrachtete er sie mehr und mehr als ein unteilbares Ganzes. Hatte er in der Vergangenheit oftmals davon geträumt, seiner Crew den Laufpass zu geben und allein wegzufliegen, so konnte er den Gedanken daran jetzt nicht mehr ertragen. Sie waren eine Miniaturgesellschaft geworden, die Bürger der Ketty Jay, und sie brauchten einander, um zu überleben. Irgendwie hatten sie ein Gleichgewicht erreicht, das sie alle zufriedenstellte, und in diesem Gleichgewicht hatten sie Außerordentliches zu erreichen vermocht. Nun fürchtete Frey sich davor, auch nur einen von ihnen zu verlieren, weil dieses Gleichgewicht dann vielleicht zerstört werden würde. Er fürchtete eine Rückkehr zum früheren Zustand.
All diese Zeit hindurch hatte er sich gegen etwaige Verluste gepanzert, indem er es vermieden hatte, tiefere Gefühle für andere Menschen zu entwickeln. Nun jedoch war er irgendwie von der ungeschützten Seite erwischt worden. Er versuchte, sich darüber zu ärgern, dass er sich eine solche Blöße gegeben hatte, aber es gelang ihm nicht. Alles war Teil einer umfassenderen Veränderung gewesen, in deren Verlauf er ein Ausmaß an Selbstachtung erlangt hatte, wie er es vor
der Zerstörung der Ace of Skulls nie besessen hatte. Er wollte die Tage zwischen jenem Augenblick und diesem nicht eintauschen. Für nichts auf der Welt.
Doch nun stand Silo an der Schwelle des Todes, und sein Schicksal lag in den Händen eines alkoholsüchtigen Arztes und eines unausgebildeten Assistenten. Silo, der eine Kugel auf sich gelenkt hatte, damit Frey nicht getroffen würde. Frey wollte nicht mit dieser
Weitere Kostenlose Bücher