Piratin der Freiheit
Ihr ihn?« wollte Celeste wissen. Als der
Portugiese nickte, fügte sie hinzu: »Warum?«
»Er ist ein äußerst gefährlicher Mann, dem bewußt ist, daß ich ihn beschuldigen kann, mitten in der Bucht von Port-Royal ein Schiff überfallen und dessen gesamte Besatzung ermordet zu haben. Habt Ihr eine Ahnung,
was die Engländer mit ihm machen würden?«
»Ihn aufhängen, nehme ich an.«
»Und mich gleich dazu. Diese Engländer fackeln nicht lange, einen Ausländer aufzuknüpfen.« Wieder und
wieder schüttelte er den Kopf, als wolle er einen üblen Gedanken verscheuchen. »Nein! Ich möchte zurück in
die Heimat und die ganze Geschichte vergessen.« Er
musterte sie sichtlich ängstlich. »Werdet Ihr mir mit der Überfahrt helfen?«
Celeste Heredia nickte, öffnete die Lederbörse, die sie am Gürtel trug, holte eine Handvoll Münzen heraus und drückte sie ihm dezent in die Hand:
»Natürlich! Und Ihr bekommt das Zehnfache, wenn
Ihr mir diesen Kapitän Tiradentes zeigt.«
»Ich war noch nie ein Verräter.«
»Das glaube ich Euch gern. Aber Ihr solltet einsehen, daß derartige Verbrechen nicht ungesühnt bleiben dürfen.«
Schweigend betrachtete Silvino Peixe die Münzen in
seiner Hand. Er schien die grausige Szene zu rekapitu-lieren, deren Zeuge er geworden war. Schließlich flü-
sterte er:
»Macht den Laderaum im Achterschiff nicht auf. Die
Silberbarren sind im Bug, die Leichen hat der Kapitän in den Achterraum werfen lassen.« Er blickte sie fast flehentlich an. »Ich bitte Euch! Öffnet ihn nicht!«
»Wir brauchen Beweise gegen Euren Kapitän.«
Der Portugiese stand langsam auf und drehte sich um:
»Wenn mein Wort genügt, werde ich darüber nach-
denken.«
Als er hinter einer Palmengruppe verschwunden war,
wandte sich Celeste ihrem Vater zu.
»Was meinst du?«
»Er scheint aufrichtig zu sein.«
»Werden wir ihn wiedersehen?«
»Keine Ahnung. Aber es will mir nicht in den Kopf,
daß der Mörder der Männer, mit denen ich so viele Jahre gesegelt bin, mit dem Leben davonkommt.«
»Der wahre Mörder war Hernando, und der ist offen-
bar tot.«
»Weißt du, was merkwürdig ist?« sagte Miguel Here-
dia. »Als wir nach dem toten Sebastian suchten, stol-perte ich über eine Leiche, die mich an Pedrarias erinnerte. Doch weil ich ihn in meinem Leben nur einmal gesehen habe und das vor vielen Jahren, habe ich den Gedanken verworfen, daß er es sein könnte.«
»Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
»Es schien mir einfach zu abwegig. Was hätte denn
ein Gesandter der Casa de Contratacion von Sevilla auf Jamaika zu schaffen?«
»Uns zu verfolgen. Ich habe dich doch gewarnt, daß er das versuchen würde.«
»Aber niemals hätte ich gedacht, daß er das persönlich tun würde.«
»Ich schon.« Celeste erhob sich abrupt, um damit das Thema zu beenden. »Gut! Um Kapitän Tiradentes werden wir uns zu gegebener Zeit kümmern. Jetzt sollten wir erst einmal das Silber bergen.«
Am nächsten Morgen hatte man das Wrack der Jacare
schließlich in die ausgewählte stille Bucht gezogen und setzte das einst so stolze Schiff auf Grund. Obwohl fast das gesamte Deck eine Handbreit unter Wasser lag,
ging man an Bord, um es näher zu untersuchen.
Als man den Laderaum des Bugs öffnete, blickte man
in ein Rechteck mit schmutzigem und dunklem Wasser, in dem Segelfetzen und Holzstücke trieben. Wer nach den dort unten vermuteten schweren Silberbarren tauchen wollte, konnte sich nur von seinem Tastsinn leiten lassen.
Für drei Golddublonen pro geborgenem Silberbarren
fanden sich jedoch sechs Freiwillige, und so stapelte sich bereits am frühen Nachmittag ein Teil des märchenhaften Schatzes auf dem Sandstrand.
Die Nachricht von dem Fund sprach sich in Win-
deseile herum, und bald tauchte ein sehr aufgeregter Oberst Buchanan auf, in Begleitung von einem halben Dutzend schwerbewaffneter Soldaten.
»Es stimmt also«, rief er fasziniert aus. »Ein wahres Vermögen! Wie viele Barren hofft Ihr zu finden?«
»Gut dreihundert«, entgegnete Celeste selbstsicher.
Ihr Gegenüber konnte sich einen anerkennenden leisen Pfiff nicht verkneifen, schien sich aber sofort für seine Gefühlsregung zu schämen, die sich für einen Offizier Ihrer Gnädigen Majestät nicht schickte.
»Dreihundert!« wiederholte er ungläubig. »Wie fühlt Ihr Euch, so jung und so reich?«
»Ich würde alles auf diesem Schiff dafür eintauschen, um meinen Bruder wiederzusehen.«
»Einen Bruder habe ich nie gehabt«, sinnierte
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