Piratin der Freiheit
wie sie es bekam?
Sie schien rein gar nichts mit ihren Geschlechtsgenos-sinnen gemein zu haben.
Zwar hatte sich auch Celestes Mutter, die unglückliche Emiliana Matamoros, nichts sagen lassen, doch war sie nicht im mindesten so charakterfest gewesen wie ihre Tochter, die Miguel Heredia immer ein Rätsel
bleiben würde.
Resigniert setzte er sich daher in die kleine Kutsche neben Celeste. Auf schnellstem Wege kehrten sie nach Caballos Blancos zurück, ohne während der Fahrt auch nur ein einziges Wort zu sprechen.
Als sie ankamen, wurden sie von einer schwarzen Stu-te überrascht, die an das Eisengitter gebunden war. Der elegante Gaspar Reuter lag im Schatten eines Aragua-ney-Baumes und hatte sich einen breitkrempigen Hut
über das Gesicht gezogen.
»Ich habe den Mann«, sagte er sofort.
»Wo?« wollte Celeste Heredia aufgeregt wissen. Ihre Kälte und Distanziertheit der letzten Tage war wie weg-geblasen.
»Folgt mir.«
Er führte sie durch den dichten Wald zu einer großen Lichtung, auf der eine verfallene Sklavenhütte stand.
Die hatte wohl früher einmal als Lagerschuppen ge-
dient.
Auf dem Boden saß ein schmutziger, verdrossen
dreinblickender Mann. Er war fest an einen Pfahl gefesselt, und sein linker Arm hing schlaff herab.
Ungerührt hielt der Verletzte den Blick des Mädchens aus. Schließlich fragte Celeste:
»Heißt du Joao Oliveira und hast du die Botafumeiro befehligt?«
»Schon möglich.«
»Hast du die Besatzung der Jacare kaltblütig massa-
kriert?«
»Ich habe sie hingerichtet«, stellte der andere klar. »Es war ein Piratenschiff.«
»Du wußtest aber sehr gut, daß die englischen Gesetze Port-Royal stets als sichere Zuflucht gesehen haben.«
»Die englischen Gesetze kümmern mich einen Dreck.
Ich hatte andere Befehle.«
»Wer gab sie dir?«
Der schmutzige Kapitän Tiradentes ließ seine Blicke über das vor ihm stehende Mädchen wandern, dachte
einige Augenblicke nach und spuckte schließlich ge-
räuschvoll auf ihr makelloses zartrosa Kleid.
Gaspar Reuter trat vor, um seinem Gefangenen einen
Schlag zu versetzen, doch Celeste gebot ihm Einhalt.
Gleichmütig sah sie zu, wie die Spucke langsam ihren Rock hinabtropfte, und murmelte sehr gelassen:
»Das schaffe ich schon allein.«
Urplötzlich schoß ihr Fuß vor. Die Spitze ihres zarten Schuhs landete brutal auf dem schlaffen Arm des Portugiesen, der vor Schmerzen aufheulte.
»Hör mir gut zu, du Hundesohn«, raunte das Mäd-
chen, als der andere schließlich verstummt war. »Soweit ich weiß, hast du dreißig meiner Freunde kaltblü-
tig ermordet und ihnen die Köpfe abgeschnitten.« Sie hockte sich vor ihn hin, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. »Dafür wirst du bezahlen, aber du kannst wählen: Entweder du wirst einfach nur aufgehängt,
oder du dienst als lebendiges Fischfutter für die Haie.
Entscheide dich also, denn ich bin mit beiden Methoden vertraut. Mein Bruder hat sie mir beigebracht.«
»Du bist also die berühmte Schwester von Kapitän
Jack? Das hätte ich mir eigentlich denken können. Pedrarias haßte dich wie einen Todfeind.«
»Was weißt du von Pedrarias?«
»Daß er ertrunken ist.«
»Hat er dich angeheuert?«
Joao Oliveira nickte. Jeglicher Widerstand war offensichtlich zwecklos, und er hatte es mit einer Frau zu tun, die durchaus in der Lage war, ihn bei lebendigem Leib zu den Haien zu schicken.
Celeste stieß einen tiefen Seufzer aus, richtete sich auf und blickte ihren Vater an, der es vorgezogen hatte, reglos an der Tür zu verharren. Schließlich löcherte sie Tiradentes weiter:
»Was weißt du von meinem Bruder?«
»Nichts. Ich habe ihn nie gesehen.«
Das Mädchen musterte ihn aufmerksam. Schließlich
nickte sie fast unmerklich.
»Ich glaube dir. Ich erinnere mich, daß er gegen elf das Haus verlassen hat. Sehr wahrscheinlich hatte er daher mittags das Schiff noch nicht erreicht. Mein
Gott!« klagte sie. »Wenn er eine halbe Stunde länger geschlafen hätte, wäre er noch am Leben.«
»Dabei heißt es doch: Morgenstund hat Gold im
Mund«, spottete ihr Gefangener.
»Das ist nicht witzig! Und ich verstehe nicht, wie du noch Scherze machen kannst, wo du sehr bald an einem Balken hängen wirst.«
»Irgendwann einmal hätte man mich sowieso aufge-
hängt«, erwiderte Kapitän Tiradentes gelassen. »Was tut es da zur Sache, ob es nun ein Baum oder ein Balken ist. Man baumelt genauso.«
»Na, wenigstens zeigst du Mut wie ein Mann.«
»Leider kann ich das Kompliment nicht
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