Piratin der Freiheit
zurückgeben.
Ehrlich gesagt, ich hätte mir nie träumen lassen, daß mich einmal eine Frau aufhängen würde.«
»Hast du noch etwas hinzuzufügen?«
»Ich nehme es dir nicht übel, daß du mich aufhängst.
Schuld an allem ist das verfluchte Erdbeben. Ansonsten wäre ich jetzt weit weg und steinreich.«
Celeste Heredia Matamoros wandte sich Gaspar Reu-
ter zu, der an der Wand lehnte und die Szene verfolgt hatte, als ginge ihn das alles nichts an.
»Hast du einen Strick?« wollte sie wissen.
»Mein Beruf ist es, entlaufene Sklaven zu verfolgen.
Was täte ich da ohne Stricke?«
»Und wie bringst du es fertig, Sklaven durch die Wälder zu jagen und dabei immer so elegant auszusehen?«
»Reine Gewohnheit«, murmelte der Engländer.
»Schmutz ist mir zuwider.«
»Verstehe! Hol mir diesen Strick, binde ihn an ein
Pferd und wirf ihn durch dieses Fenster. Den Rest übernehme ich.«
Gaspar nickte und ging zum Tor.
Kaum war er verschwunden, wandte sich Miguel He-
redia an seine Tochter.
»Willst du ihn wirklich aufhängen?«
»Natürlich.«
»Und was hast du davon?«
»Daß er keinem mehr den Kopf abschneidet. Erinnerst du dich an Lucas Castano? Er war ein guter Mensch.
Na schön, ein Pirat, aber ein guter Mensch, und dieser Kerl ist schuld, daß sein Kopf in einem Pökelfaß liegt.
Findest du, er hat nach alledem noch ein Recht zu leben?«
Ihr Vater wies in die Richtung, in die Gaspar Reuter verschwunden war.
»Wahrscheinlich nicht, aber schließlich bezahlst du ihn dafür. Warum willst du dir selbst die Hände
schmutzig machen?«
»Das habe ich auch nicht vor. Doch ich will die Verantwortung nicht abschieben. Hätte ich Hernando Pe-
drarias rechtzeitig umgebracht, dann wäre das alles nicht passiert.«
Sie erhielt keine Antwort, denn im gleichen Augen-
blick fiel ihr ein dickes Seil vor die Füße, das Gaspar Reuter durch das Fenster geworfen hatte. Erstaunlich gelassen knotete Celeste eine Schlinge, warf sie über den Balken, der über die gesamte Breite der Hütte ver-lief, und legte sie dem Verurteilten um den Hals. Der schloß die Augen und murmelte ein kurzes Gebet.
Celeste räumte ihm eine gute Minute ein, damit er seine Seele Gott empfehlen konnte, dann rief sie:
»Fertig!«
Eine Peitsche knallte, und das Seil spannte sich, Kapitän Tiradentes stieß einen kurzen Seufzer aus und segelte langsam himmelwärts, während sein Genick mit
grausigem Knacken brach.
Kurz darauf baumelte er in der Luft, und nach einiger Zeit, die Miguel Heredia eine Ewigkeit erschien, er-schlaffte er, röchelte ein letztes Mal und urinierte ge-räuschvoll.
Ungerührt sah ihm das Mädchen zu und klatschte in
die Hände.
»Gehen wir!«
»Willst du ihn nicht begraben?« wollte ihr Vater wissen.
»Die Erde muß man sich verdienen. Und dieses
Schwein hat keine Verdienste.«
Als Miguel Heredia die Hütte verließ, blickte er in die gleichmütigen Augen von Gaspar Reuter, der sich darauf beschränkte, das Seil am Außengeländer festzubinden.
»Was schaut Ihr mich so an?« fragte er bitter. »Ich bin nicht schuld daran, daß sie so ist.«
»Jedem das Seine«, lautete die eisige Antwort. »Und mir gefällt sie. Die meisten Frauen, die ich kennengelernt habe, waren Zimperliesen, Huren oder Schmeich-lerinnen.« Er tippte sich an die Stirn. »Da drin hat Eure Tochter Mumm wie ein Mann.«
»Ich weiß nicht, ob das ein Kompliment ist.«
»Das könnt Ihr auffassen, wie Ihr wollt, aber meiner Ansicht nach verdient jeder Respekt, der sich über Regeln hinwegsetzt.«
Gemeinsam kehrten sie zum Haus zurück. An der
Schwelle wartete Celeste und überreichte dem Sklaven-jäger eine Börse voller Münzen.
»Das ist für Euch. Und wenn Ihr noch mehr verdienen wollt, dann sucht mir ehrenwerte, mutige Männer, die bereit sind, für mich zu arbeiten.«
»Ehrenwerte, mutige Männer, die für eine Frau arbeiten wollen?« lachte der andere sichtlich belustigt. »Ich fürchte, das wird wesentlich schwerer, als einen
Schwarzen in den Bergen aufzuspüren.« Er dachte eini-ge Augenblicke lang nach. »Mal sehen, was ich tun
kann.«
Er stieg auf seine Stute, winkte zum Abschied und ritt davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
»Von seiner Sorte brauchen wir mehr«, murmelte das
Mädchen. »Tatkräftige, entschlossene Leute.«
»Glaubst du vielleicht, daß du mit ihnen fertig wirst?«
wollte ihr Vater wissen. »Was machst du denn, wenn
sich hundert Barbaren, die drei Monate lang keine Frau mehr angerührt haben, auf
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