Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Piratin der Freiheit

Piratin der Freiheit

Titel: Piratin der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa , Freiheit_1_.doc
Vom Netzwerk:
macht mir Sorgen. Der Tod ihres Bru-
    ders scheint sie völlig verändert zu haben. Schon als Kind hat sie ihn verehrt, später hat sie jahrelang auf ihn gewartet, und jetzt hat sie ihn endgültig verloren.«
    »Der Verlust der Menschen, die wir am meisten lie-
    ben, formt unseren Charakter«, entgegnete der Engländer ruhig. »Das weiß ich aus Erfahrung. Der Schmerz ist das einzige Feuer, das die Seele zum Glühen bringt.
    Das Traurigste ist, daß wir niemals wissen können, was aus ihr wird, wenn man sie in diesem Augenblick
    hämmert. Ich habe die Erniedrigung gewählt, während Eure Tochter sich offensichtlich in ein Abenteuer stürzen will, das ihrem Alter und ihrem Geschlecht nicht angemessen ist.« Er blickte ihn an. »Was genau will sie eigentlich?«
    »Ich bin nicht sicher.«
    »Wozu braucht sie diese Männer?«
    Der andere blickte ihm tief in die Augen. Was er sah, schien ihn zu überzeugen, und schließlich fragte er:
    »Werdet Ihr das Geheimnis für Euch bewahren?«
    »Ihr habt das Wort von dem, was in mir von einem
    Edelmann geblieben ist.«
    »Das genügt mir.« Miguel Heredia machte eine kurze
    Pause, fügte aber dann schnell hinzu: »Sie will ein Schiff ausrüsten und damit den Sklavenhandel bekämpfen.«
    Der andere stand langsam auf, betrachtete die Lich-
    tung vor der Hütte und dachte nach. Schließlich meinte er:
    »Zweifellos ist sie noch verrückter, als ich dachte. Der Sklavenhandel ist inzwischen der größte Wirtschafts-faktor unserer Zeit. Ohne Schwarze würden diese Ländereien brachliegen und ihre unendlichen Reichtümer vielleicht für immer verlorengehen. Die Sklaventransporte aus Afrika sind wie ein Fluß, größer als der Amazonas. Ihn aufhalten zu wollen ist so, als wolle man den Amazonas mit einem löchrigen Eimer aufhalten.«
    »Trotzdem will sie es wagen.«
    »Sie wird bei ihrem Abenteuer sterben.«
    »Leider habe ich schon seit einiger Zeit den Eindruck, daß sie nicht übermäßig am Leben hängt.«
    »Das gibt sich mit der Zeit«, erläuterte Gaspar Reuter.
    »Paradoxerweise schätzen wir unsere Haut um so mehr, je faltiger sie wird. Eine Alte, die nur noch einige Jahre vor sich hat, fürchtet den Tod mehr als zwanzig junge Leute, denen ein langes Leben bevorsteht.«
    »Ihr scheint kein Mann zu sein, dem trotz seines Alters irgend etwas angst macht.«
    »Etwas fürchte ich schon«, gestand der andere. »Noch tiefer in diesem üblen Metier zu versinken. Wenn ich durch die Berge streife und nach einer Spur suche, füh-le ich mich wie ein Jagdhund. Manchmal bin ich ge-
    zwungen, in Exkrementen zu wühlen, um herauszufin-
    den, ob ich einen Flüchtling vor mir habe. Ich kann Euch sagen, in diesen Augenblicken möchte ich mir am liebsten eine Kugel durch den Kopf jagen.«
    »Jetzt habt Ihr die Gelegenheit, Euren Beruf zu wech-seln. Schließt Euch uns an.«
    Sein Gesprächspartner schien verblüfft zu sein und
    nahm wieder neben Miguel Heredia Platz. Als wolle er nicht glauben, was man ihm gerade gesagt hatte, fragte er: »Ihr fordert mich auf, von heute auf morgen Sklaven nicht mehr zu jagen, sondern zu befreien? Wißt Ihr eigentlich, wie absurd Euer Vorschlag ist?«
    »Noch absurder scheint mir, daß ein englischer Gentleman durch die Berge streift und im Kot wühlt.«
    »Da habt Ihr nicht ganz unrecht.«
    »Also?«
    Die Frage blieb unbeantwortet. Statt eine Antwort zu geben, ging der Rothaarige mit dem markanten Kinn zu seinem Pferd, das am anderen Ende der Lichtung wartete, bestieg es mühelos und bemerkte lediglich:
    »Ich halte Euch auf dem laufenden.«
    Die Büsche verschluckten ihn, als könnte die schwar-ze Stute durch den dichtesten Urwald traben, ohne auch nur einen Zweig zu knicken. Miguel Heredia verharrte noch einige Minuten so, bevor er beschloß, für die Seele des toten Kapitäns Tiradentes ein kurzes Gebet zu sprechen.
    Celeste empfing ihn vor dem Portal des Hauses,
    drückte ihm einen dicken Kuß auf die Wange und rief begeistert aus:
    »Wir haben ein Schiff!«
    »Sicher?«
    »De Graaf hat mir sein Angebot übermittelt, und ich habe es angenommen.« Triumphierend holte sie eine
    schwarze durchlöcherte Fahne hervor, die sie hinter ihrem Rücken verborgen hatte. »Ich soll mir daraus ein Kissen machen.«
    »Ich würde mich gerne genauso freuen wie du, aber
    ich fühle mich überhaupt nicht sicher in der Angelegenheit. Ich halte das Ganze immer noch für Wahn-
    sinn.«
    »Als Sebastian noch lebte, dachtest du das Gegenteil: Damals fandest du es eine großartige

Weitere Kostenlose Bücher