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Piratin der Freiheit

Piratin der Freiheit

Titel: Piratin der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa , Freiheit_1_.doc
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dich stürzen?«
    »Das wird nicht passieren.«
    »Wie kannst du da nur so sicher sein?« beharrte ihr Vater.
    »Weil man mich nur anrührt, wenn ich das will«, stellte sie klar. »Das verstehst du vielleicht nicht. Aber ich habe dabei zusehen müssen, wie Hernando Mama in
    aller Öffentlichkeit antatschte, ohne daß sie etwas dagegen hätte machen können. Das passiert mir nie, habe ich mir geschworen. Respekt kannst du dir nicht auf dem Markt kaufen, Respekt verdienst du dir Tag für
    Tag, und ich weiß, wie ich das anstelle, und wenn ich dazu die halbe Besatzung aufhängen muß.«
    Miguel Heredia zog es vor, schweigend zum nahen
    Strand zu spazieren. Dort setzte er sich in den Sand, um aufs Meer hinauszuschauen und sich wieder einmal zu fragen, was für ein Geschöpf er da gezeugt hatte.
    Er fühlte sich verwirrt, schrecklich verwirrt. Die Situation glitt ihm aus den Händen, und er konnte sich nicht vorstellen, daß das früher so freundliche kleine Mädchen wieder normal werden konnte.
    Was ging da in ihr vor?
    Nächtelang grübelte er ergebnislos darüber nach. Celestes Verwandlung jagte ihm Angst ein. Noch vor Monaten hätte sie keiner Fliege etwas zuleide tun können.
    Mit geschlossenen Augen ließ er die Szene Revue passieren, in der Celeste mit eiskalter Miene eine Schlinge geknüpft hatte, um damit einen Menschen aufzuhängen.
    Es schauderte ihn ein wenig dabei, sich vorzustellen, wie gelassen sie dabei gewesen war.
    Ihre Hände zitterten nicht, und ihr Geist wurde nicht schwach. Nicht einmal der schreckensbleiche Blick,
    den der Verurteilte dem Seil zuwarf, schien sie gerührt zu haben.
    Selbst er, der alle Höllenqualen erlitten und wegen Hernando Pedrarias am Rand des Wahnsinns an Bord
    gelebt hatte, hätte gezögert, Kapitän Tiradentes hinzurichten. Dagegen hatte die früher so sanftmütige Celeste, die fast noch ein Kind war und eigentlich an schöne Kleider und attraktive junge Männer hätte denken sollen, nicht einmal einen Augenblick geblinzelt, als der Kapitän im Todeskampf uriniert hatte.
    Er erinnerte sich daran, wie der Urin auf den staubigen Boden der schmutzigen Hütte geklatscht war. Diese
    grauenvolle Szene würde er wohl noch lange nicht vergessen.
    Eine Stunde später war ihm außerdem klar, daß er nie mehr ruhig schlafen würde, solange der Unglückliche noch am Ausguck baumelte. So holte er eine Schaufel und machte sich auf den Weg zu der großen Hütte.
    Er kam zu spät. Gaspar Reuter saß auf einer der ver-fallenen Stufen des Eingangs und betrachtete das Grab vor ihm, während er nachdenklich an einer langen eleganten Pfeife zog.
    Er setzte sich neben ihn.
    »Warum habt Ihr das getan?« wollte er nach einigen
    Minuten wissen.
    Der andere zuckte lediglich mit den Schultern.
    »Spielt das eine Rolle?« antwortete er schließlich.
    »Es muß doch einen Grund geben.«
    »Das meiste in meinem Leben habe ich ohne vernünf-
    tigen Grund getan. So auch das hier.«
    »Wie kommt es, daß ein Mann mit Eurer Bildung,
    zweifellos ein wahrer englischer Edelmann, als Sklavenjäger auf einer gottverlassenen Karibikinsel landet?«
    »Bildung macht keinen zum Edelmann. Nicht einmal
    einen Engländer. Wenigstens bietet sie keine Gewähr dafür, ewig einer zu bleiben. Wenn ein armer Teufel stürzt, fällt er nicht tief, denn sein Weg ist kurz. Wenn jedoch ein Gentleman in den Abgrund stürzt, dann fällt er tiefer als jeder andere.«
    »Verstehe… Werdet Ihr die Männer suchen, um die
    Euch meine Tochter gebeten hat?«
    Der andere nickte.
    »Das werde ich tun.«
    »Glaubt Ihr, daß es solche gibt?«
    »Das hängt davon ab, was Ihr von ihnen wollt. Heute haben auf Jamaika viele keine sehr klare Vorstellung von ihrer Zukunft. Wenn Oberst Buchanan recht hat,
    daß die Insel für die Piraten keine Zuflucht mehr ist und Seeräuberei, Glücksspiel und Prostitution keine >ehrbaren< Berufe mehr sind, sondern nunmehr verachtet werden, dann ist aus der finsteren Nacht plötzlich hell-lichter Tag geworden, und die meisten werden wie Fledermäuse vom Sonnenlicht geblendet sein. Dafür, daß alles nur drei Minuten gedauert hat, ist der Wechsel gewaltig, viel zu gewaltig.«
    »Und werden wir diesen Leuten vertrauen können?«
    »Schon vor vielen Jahren habe ich gelernt, keinem zu vertrauen. Warum sollte sich das geändert haben?«
    Eine lange Weile lang betrachteten sie eine Gruppe
    kreischender Papageien auf dem Zweig eines nahen
    Saman-Baums. Schließlich brach Miguel Heredia das
    Schweigen:
    »Meine Tochter

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