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Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition)

Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition)

Titel: Piss off! Ein Engel zum Fürchten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Kowalski
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ihn zurück.
    „Wusst’ ich doch, dass Sie nichts taugen!”, rief er mir ins Treppenhaus nach. „Ihr jungen Typen seid alle debil!”
    Nachts jobbte ich weiterhin in der Taxizentrale, tagsüber schlief ich. In dieser Stadt Fuß zu fassen, schien ein schwieriges Unterfangen zu sein. Ich hatte die vergangenen Wochen mit Leere gefüllt, genauso wie die Jahre zuvor. Nichts wollte gelingen. Das Leben blieb eine Muschel, und egal was ich tat, ich hatte nicht die leiseste Aussicht, jemals darin die Perle zu sein. Zwei weitere Male fuhr ich nach Dortmund, um Zack zu besuchen. Seine Zustand war unverändert schlecht, er war abgemagert und knochig, ein bleiches Gespenst seiner selbst. Schlimmer noch: Zack wirkte wie ein Untoter auf mich, so dass ich mich fragte, ob es nicht besser wäre, der minimale Rest von Leben in ihm löse sich vollständig auf. Dann aber schämte ich mich dieses Gedankens. Was für ein Riesenarschloch war ich, dass ich Zack bereits aufgeben wollte!? „Wach auf, Zack!”, flüsterte ich. „Mach die Augen auf, du wirst hier gebraucht.” Doch er lag weiterhin unbeweglich vor mir, ein Wesen ohne Gehör und Verstand. Es wirkte, als hätte ein voreilige Putzfrau einen Besen zu früh zurück in die Kammer gestellt, ohne ihre Arbeit zuende zu machen.
    Bei André Gide hatte ich gelesen, wie ein Protagonist dem anderen Vorwürfe macht: „Ich muss ja leider feststellen, dass Sie die Wirklichkeit nicht interessiert!” Und sein Gegenüber erwidert: „Doch, aber sie ist mir im Weg.”
    An Zacks Krankenbett verstand ich plötzlich den Sinn dieser Zeilen. Gide hatte zu Recht den Nobelpreis bekommen.
    Womit ich nicht gerechnet hatte, nicht eine Sekunde – auch das Zusammenleben mit Jutta barg Gefahren, wenn auch Gefahren ganz anderer Art. Eines Abends erschienen wir zusammen im Umbruch , leerten die Kelche und wankten betrunken nach Haus. Jutta hatte sich zurechtgemacht, als hätte ich sie in den teuersten und edelsten Szene-Tempel der Stadt ausführen wollen. Wegen ihrer Nachtschichten kam sie abends so gut wie nie vor die Tür. Jetzt aber stakste sie auf ihren hohen schwarzen Riemchen-Pumps neben mir her, zog hin und wieder den kurzen Rock etwas tiefer und sang betrunken einen alten Lee-Hazlewood-Song. Vorbeifahrende Autos hupten, Jugendliche steckten ihre Köpfe zu den Seitenfenstern hinaus und riefen: „Hey, Baby, heute Nacht schon was vor?” Und sie hatten recht: Jutta sah aus, als krümmte sich das Universum einzig um sie – ein aufgemotztes, hochgerüstetes Luder, ein blankes, wildes Synonym für Sex, eine Verheißung. Kein Wunder also, dass meine Hand, als Jutta die Treppe zur Wohnung vor mir hinaufging, unter ihrem Rock auf Wanderschaft ging. Kaum in der Wohnung fielen wir übereinander her wie die Normannen über die französische Küste – als gebe es kein Morgen mehr, als würde das Elend dieser Welt in einem einzigen, großen, unkontrollierten Akt für alle Zeiten gebannt werden können, als ließe sich der Sinn der eigenen kleinen Existenz nur dann bestimmen, wenn der Verstand ausgeschaltet ist und überwunden. Und solange es andauert, schwört man, man fände Erlösung im Tanzen der Körper, Trost in der Wildheit, die sich anfühlt wie Freiheit, es aber nicht ist. Nur um anderntags in ein Loch ohne Boden zu stürzen, weil man erkennt, dass man getäuscht worden ist, egal wie gut und leidenschaftlich das Singen der Nacht auch gewesen sein mag. Man sieht sich an mit einem hohlen Gefühl, und mit der Enttäuschung kommt die Einsicht, dass der Schmerz, um den man zuvor noch gar nicht gewusst hat, zurückgekehrt ist.
    Jutta sah es nüchterner. Sie sagte: „So, das hätten wir jetzt auch. Ich kann dir gar nicht sagen, wie scharf ich die ganze Zeit auf dich war. Ich hab’ schon gedacht, du bist schwul, so immun wie du immer gewirkt hast.”
    Nicht, dass ich anderer Meinung gewesen wäre als sie. Sie war eine fortwährende Versuchung für einen Mann und löste Phantasien in mir aus, für die ich mich schämte. Zudem wartete sie in der vergangenen Nacht mit Stellungen auf, bei denen ich nicht wusste, ob sie nicht womöglich illegal waren oder gegen physikalische Gesetze verstießen. Ich hatte gebrannt, doch jetzt war es vorbei. Eine verdammt gute Nummer, ein Weltrekordtanz auf allerhöchstem Niveau, aber nicht mehr.
    Ich lachte sie an und trabte los, um Brötchen zu holen.
    Kaum hatte ich die Bäckerei betreten, traf mich der Schlag. Direkt vor mir am Tresen stand Diana, wie immer in Schwarz, und

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