Pitch (German Edition)
gerade
gegenüber, auf der anderen Straßenseite, die Tür auf,
zwei Frauen stürzen auf die Straße, die eine unförmig
und offensichtlich leidend, sie fällt hin, von der Begleiterin
gerade noch abgefangen, gleich springen Jens und sein türkischer
Kollege Ya ş ar
hinzu, stützen die Dicke und auch ein wenig die andere, die sagt
nur, da, das Auto, und drückt Jens den Autoschlüssel für
das kleine Italienische in die Hand, das vierrädrig und
fünftürig direkt am Bordstein parkt, was hat’se denn,
fragt er, schwanger is’sie, sagt Iris Felske, und Marie windet
sich in Wehen, ganz plötzlich sind sie aufgetreten, gekommen mit
dem Blasensprung, Iris hat schnell reagiert, jetzt hievt sie zusammen
mit Gollodki und seinem Kollegen Marie auf die Rückbank des
Wagens, fahr du, sagt sie zu ihm, der will entgegnen, ich kann doch
nicht so einfach ... aber Iris unterbricht ihn, die muss ins
Krankenhaus, jetzt, damit ist jeder mögliche Widerspruch
erstickt, sag du Runge Bescheid, ich bin bald zurück, ruft Jens
noch Ya ş ar
zu, der dem davonfahrenden Wagen nur noch hinterher schauen kann,
Jens gibt Gas, er kommt schnell mit dem fremden Wagen zurecht, er
guckt und hört, wie die eine sagt, ausgerechnet du bist jetzt
dabei, wenn unser Baby zur Welt kommt, ich muss nicht, sagt die
andere, lass mich bloß nicht allein, kreischt
die Schwangere, heulend, wimmernd, schreiend, schnaufend,
die Stimme alle Tonlagen hinauf- und hinunterjagend, im Rückspiegel
bieten die beiden ein Bild vollkommener Disharmonie, die eine
schnauzend und greinend in den Armen der anderen, die sie hält
und aushält, denn viel muss sie sich anhören von der
werdenden Mutter, die ihr laut und mit verzerrten Zügen
vorwirft, dass sie ihren Mann fickt, gefickt hat, ficken muss, und
Jens ist es peinlich, sich das anhören zu müssen, nicht
weil ihn die derbe Sprache stört, die verwendet er selber ganz
gern und oft, aber hier, auf der Rückbank, sitzen zwei Frauen,
von denen er diese Wortwahl nicht erwartet hätte, für ihn
geht die Enthüllung der beiden Frauen, der Blick hinter die
Fassade zu weit, nun sind sie an den Bahngleisen angekommen, prompt
geht die Schranke herunter, ruf ihn an, sagt die Schwangere, ruf ihn
an, er muss kommen, er muss dabei sein, es ist sein Kind, aber die
andere stellt fest, dass sie ihr Handy vergessen hat, in der
Aufregung muss es liegen geblieben sein, hast du keins, fragt Iris
Marie, aber auch deren Tasche liegt noch in Iris’ Wohnung,
jetzt meldet sich Jens, ich hab eins, es ist gar nicht seins, er hat
es sich von seinem Kollegen Ya ş ar
ausgeliehen, um seine Freundin anzurufen, her damit, sagt Marie und
Iris nimmt es und wählt Jos Nummer, niemand nimmt ab, die
Mailbox gibt quälend langsam und Gebühren einstreichend
bekannt, dass der Angerufene nicht zu sprechen ist, aber eine
Nachricht hinterlassen werden könne, ruf mich an, sagt Iris,
nein, ruf im Krankenhaus an, es ist wichtig, sie legt auf, ruf mich
an, es ist wichtig, äfft Marie sie schnaufend nach, die kurze
Feuerpause ist vorbei, ausgerechnet du, stöhnt Marie, aber, sagt
die andere, etwas gereizt, fast schon drohend, aber, sagt sie, nicht
die einzige, was, schreit die Ehefrau, zuckt aber gleich wieder vor
Schmerzen zusammen, Mensch, Marie, sagt Iris, ganz böse Frau,
die böse Botschaft bringt, es tut mir leid, aber ich kann es
nicht ändern, Jo ist ein Schwerenöter, ein Frauenmann, ein Womanizer ,
ich bin nicht seine erste Liebschaft und ich werde auch nicht die
letzte sein, das kann nicht sein, flüstert Marie, doch da kommt
der Zug, die Schranke hebt sich, Jens gibt Gas und macht, dass er
weiter kommt, das sagst du mir einfach so, hier, jetzt, in diesem
Augenblick, Iris bereut ihre Worte, sie sind ihr so herausgerutscht, weil sie diese Vorwürfe
nun oft genug gehört hat, weil sie gereizt ist,
weil dieser Tag, der so vielversprechend begann, sie in so ein
unabsehbares Chaos geführt hat, ehrlich, Marie, es tut mir leid,
aber sie weiß, dass ihr jetzt keine Beschwichtigung mehr helfen
wird, er ist ein Manipulator, er kann gar nicht anders, ich habe ihn
bei Präsentationen erlebt, bei denen Kundinnen an seinen Lippen
hingen, die ihn anstarrten, die ihm tatsächlich unmittelbar nach
der Präsentation Avancen machten, mit ihm flirteten, und zwar
vor allen anderen, ich fand das gerade am Anfang furchtbar, er schien
mir immer so unverbindlich, immer dieses Lächeln, natürlich
unheimlich gut aussehend, Jo ist einer, der die Blonden wegen ihrer
Freundlichkeit
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