Pitch (German Edition)
und die Brünetten wegen ihrer Gutgläubigkeit
liebt und die Strohblonden wegen ihrer Süße, im Winter
liebt er Dicke, im Sommer Dünne, er verführt selbst die
alten, um sie seiner Liste hinzuzufügen, und obwohl ich das
alles gesehen habe, hat es mich irgendwann selbst erwischt, und du
sagst, es waren viele, wie viele, fragt Marie, ich weiß es
nicht, ehrlich nicht, ich weiß nur, dass ich nicht die erste in
der Agentur bin und ich bin mir sicher, dass er mich, in der Zeit, in
der wir etwas miteinander hatten, auch schon hintergangen hat, bei
dir, sagt Marie trocken, ist das etwas anderes, dich kann er gar
nicht hintergehen, sagt sie, da hast du recht, sagt Iris, es ist
etwas anderes, trotzdem hat es auch mir weh getan, Jens biegt einmal
rechts ab, einmal links, dann sind sie da, er parkt den Wagen direkt
vor dem Haupteingang und hilft den beiden Frauen heraus, er und Iris
stützen Marie beidseitig auf ihrem Weg zur Rezeption, dort, im
Foyer, setzen sie Marie in einen der blauen Sessel, sie starrt vor
sich hin, verloren wirkt sie, Iris erklärt dem Pförtner,
wie dringend es ist, der telefoniert, und Jens steht da, in seiner
weißen Hose und seinem gestreiften T-Shirt, verschmiert mit
Putz und Farbe, er schaut Iris an, was, fragt sie ungeduldig, na, ich
muss wieder zurück, sagt er, ja, stimmt, Entschuldigung, du hast
uns sehr geholfen, sie klingt nun freundlicher, sie sucht nach Geld,
findet aber keins, jetzt kann ich dir nicht mal etwas für ein
Taxi geben.
32
In
den Augen des Verletzten …
... erkennt
die Polizeimeister-Anwärterin Friederike Helms nackte Angst, der
sie vorschriftsmäßig zu begegnen sucht, sie befindet sich
in ihrem zweiten Ausbildungsabschnitt, sie hat neben Rechtskunde, dem
allgemeinbildenden Unterricht, Sport und dem Schreibmaschinenkurs
bereits die praktische Ausbildung sowie ein erstes psychologisches
Seminar absolviert, demnächst wird sie den ersten Teil ihrer
Laufbahnprüfung ablegen, und wenn sie diese mit einer Endnote
von zweikommanull oder besser besteht, kann sie vorzeitig zur
Polizeimeisterin ernannt werden, dann könnte sie sich das letzte
Halbjahr ihrer Ausbildung sparen und damit auch die
Verkehrsausbildung, die sie jetzt, da sie sie brauchen könnte,
leider nicht hat, aber das bislang Erlernte wird’s wohl tun,
der Fahrer des roten Sportwagens ist, dafür muss man kein Arzt
sein, tot, das andere Unfallopfer dieses Frontalzusammenstoßes
lebt noch, ist bei Bewusstsein, redet aber nicht, sie hat sich einen
Überblick über die Wunden verschafft, hat ihn in Schocklage
gebracht, die Kollegen verständigt, der Notruf ist abgesetzt,
die Rettungskette aktiviert und die Unfallstelle gesichert, sie denkt
an ihre Laufbahn und schließt den Verkehrsdienst für sich
definitiv aus, allerdings, Wasserschutz-Polizeimeisterin oder
Diensthund-Führerin, das wär schon was, oder, gesetzt, ihre
Leistungen und Fähigkeiten eröffnen ihr die Chance dazu,
eine Laufbahn im gehobenen Dienst, Schutzpolizei oder sogar
Kommissarin, das würde sie schon reizen, gerade ist sie zwar in
Uniform unterwegs, aber eigentlich ist sie erst auf dem Weg zum
Einsatz, hier ist sie nur zufällig vorbeigekommen, überdies
allein, gleichwohl erkennt sie darin auch die Gelegenheit, ihren
Vorgesetzten zu zeigen, was sie kann, schließlich hat sie die
Situation erkannt und danach überlegt gehandelt, das denkt sie
durchaus nicht ohne Stolz im Angesicht des Verletzten, dessen Blick
ihr unablässig zugewandt ist, nackte Angst flackert in diesen
Augen, vor allem, was da kommen mag, der Notarzt, der schon auf dem
Weg ist, wird in wenigen Minuten vermuten, was später der
klinische Befund bestätigen wird, dass es hier nämlich
infolge eines Traumas zu einer Läsion der Halswirbelsäule
gekommen ist, zu einer Tetraplegie aufgrund von Kompressions-,
Trümmer- und linearer Frakturen, sprich, die vier Gliedmaße
werden vollständig gelähmt bleiben, die Kontrolle über
Mastdarm und Blase ist ebenso verloren gegangen wie das Empfinden von
Schmerzen, Kälte, Wärme, Nässe oder Trockenheit, der
Verletzte, Michael Worbs, wird sich schicken müssen in eine
nahezu unendliche Fülle von letztlich unwirksamen
Reha-Aufenthalten, begleitet von der Erkenntnis, dass, wenn er wie
ein weiser Mann zu Hause geblieben wäre, er nach dem Verlust
seines Vorstandspostens eine unheimlich hohe Abfindung sowie noch
lange, glückliche Jahre im Kreise seiner Familie hätte
genießen können, genau das wird ihm auch seine Frau Klara
vorhalten,
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