Pitch (German Edition)
Worbs nicht einmal mehr den Anflug einer Chance hat, irgendetwas
zu werden, wie es aussieht, sagt Fontaine, ist es ja nicht so
schlimm, wer sagt das, fragt Worbs, nun, Mellendorf, entgegnet
Fontaine, glauben Sie das nicht, ruft Worbs, Mellendorf versucht nur,
Fakten zu schaffen, er hat die Chefetage okkupiert und versucht, Zeit
zu gewinnen, Zeit wofür, fragt der Mann am anderen Ende der
Leitung, Mellendorf wird versuchen, heute die Strategie
festzuklopfen, wir haben eine Agentur eingeladen, die für uns
die MegaFin-Technologie kommunizieren soll und das auch von allen am
besten zu können scheint, Mellendorf will aber seine eigene
Agentur ins Spiel bringen, verstehe, sagt Fontaine, Mellendorf
verfolgt eine Strategie, die sich dezidiert von Keisers und meiner
unterscheidet, ja, Karl hat davon gesprochen, sagt der andere, Worbs
fährt fort, Karl und ich glauben, dass Mellendorfs Pläne,
den Konzern weiter in Gefahr bringen und noch mehr Marktanteile
kosten werden, Karl meinte, ihn heute allein unter Kontrolle halten
zu können, deshalb schien ihm meine Anwesenheit bei der
Präsentation nicht nötig, jetzt aber liegt er im Sterben
... steht es so schlimm, fragt Fontaine, allerdings, das hat mir
Gertrud persönlich gesagt, hmh, murmelt Fontaine, hören
Sie, Jürgen, fährt Worbs fort, ich versuche hier gerade
noch meinen Flieger zu bekommen, trotzdem wäre es dringend
nötig, im Interesse des Konzerns, dass auch Sie Ihr Gewicht in
die Wagschale werfen, Mellendorf hat Sie bewusst belogen, indem er
den Gesundheitszustand Keisers beschönigt hat, Ihre Anwesenheit
heute Mittag bei der Präsentation erscheint mir auch in Ihrem
Sinne dringend erforderlich ... Sie
sind gut, antwortet der andere, als ob ich so kurzfristig ... Jürgen, ich weiß,
ich bin mir durchaus bewusst, um was ich Sie da bitte, ich kann aber
nur sagen, dass Mellendorfs Motive gar nicht überschätzt
werden können, im Zweifelsfall, wenn etwas nicht nach seinem
Willen läuft, wird er sogar bereit sein, dem Unternehmen zu
schaden, gut, sagt Fontaine, ich werde sehen, was ich für Sie
tun kann, Michael, ich danke ihnen, sagt Worbs, sie verabschieden
sich, fast augenblicklich klingelt wieder das Telefon, es ist noch
einmal seine Sekretärin, die ihm sagt, dass sein Flug allenfalls zwanzig Minuten auf ihn
warten könne, gut, das reicht, sagt Worbs,
legt auf und knallt frontal auf den roten Sportwagen, den er schon
eine ganze Weile auf der schnurgeraden Allee auf sich hat zurasen
sehen.
29
Der
letzte Augenblick …
… von
Wolfgang Rasch hätte kaum plötzlicher eintreten können , er selbst hätte es sein Lebtag nicht für möglich
gehalten, dass er mal andere aufhalten sollte, er, der sich immer
durch andere aufgehalten fühlte, er, der doch einer von der ganz
schnellen Sorte ist, zweihundertdreißig auf der Autobahn sind
für ihn, Pi mal Daumen, zwanzig zu wenig, aber selbst hier, auf
der Bundesstraße, umsäumt von Bäumen, sind ihm statt
der erlaubten hundert seine hundertsechzig noch immer zu langsam,
schnell leben, das muss er, er kann gar nicht anders, das ist schon
immer so gewesen, schon sein erstes Auto, ein kleines kugeliges mit
Kultcharakter, fuhr nach einem Stopp auf der Grube vierzig schneller
als üblich und erlaubt, bald ist ihm aber auch das zu wenig
gewesen, da hat er sich einen Wagen zugelegt, der ihn noch schneller
voranbrachte, schnell leben, das gilt nicht fürs Fahren allein,
sondern für alles, vierundzwanzig Stunden sieben Tage lang, nach
einer nicht allzu erfolgreichen, bald beendeten Schullaufbahn und
einer zügig absolvierten kaufmännischen Lehre, hat er sich
früh selbständig gemacht, ein nicht unerheblicher Teil
seines Gründungskredits ist in seine Geschäftswagen
geflossen, schnell hat er jeweils den einen gegen den anderen
ausgetauscht, das kleinere gegen das nächst größere
Modell, schneller als es die Leasinglaufzeit vorsah, und mehr als
einer dieser Nobelschlitten hat sein Ende an einem Baum, einer
Leitplanke oder einem anderen Fahrzeug gefunden, Rasch hingegen, von
Zweifeln wenig angekränkelt, hat die Schuld für diese
Malheure und Karambolagen stets bei anderen gesucht und gefunden,
Autofahren kann nicht jeder und gerade die unsicheren Fahrer sind es,
die mit kritischen Situationen nicht zurechtkommen, etwa Frauen mit
kleinen Kindern im Kleinwagen, die sich durch heranrasende Boliden im
Rückspiegel so verunsichern lassen, dass sie nicht einfach nur
die Spur wechseln, sondern gleich den Wagen in den Sand setzen,
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