Pitch (German Edition)
zum Sender zu bringen, mit dem anderen folgt er Mellendorf
und dessen Referenten, die kurz darauf das Firmengelände
verlassen, zu diesem Zeitpunkt weiß Giesecke bereits, dass er
einen Knüller landen wird, er lässt das Taxi an dem
Thai-Restaurant, in das er Mellendorf hineingehen sieht, vorbeifahren
und steigt in einer Seitenstraße aus, er schlendert an dem
Lokal vorbei und schießt mit seinem Handy ein paar Bilder, vom
Eingang, von den Fenstern, durch die sich dunkle Silhouetten
abzeichnen, schöne Standbilder für die Morgennachrichten,
zu denen man interessante Fragen wird aufwerfen können, was
machen Vorstandsmitglieder in so einem Lokal , mit wem treffen
sie sich hier , was bespricht man hier , er betritt das
Lokal durch den Hintereingang und gelangt in die Küche, er kennt
das Lokal und man kennt ihn, nur zu warten braucht er dort und ein
paar grüne Geldscheine verlieren, zum richtigen Zeitpunkt, dann
reden sie auch, die stummen Diener des Baan Cali , nicht
fehlerfrei, doch im Großen und Ganzen recht passables Deutsch,
sie tragen die Gaben der Küche auf und sie nehmen mit, was sie
nebenbei aufschnappen, Giesecke kennt sie auch, die Geschichten, die
sich um die angeblich in Thailand, Laos oder Kambodscha Verstümmelten
drehen, die weder sprechen noch hören können, tatsächlich
muss es vor Jahren einmal einen taubstummen Kellner hier gegeben
haben, aber der wurde dann doch wohl recht bald entlassen, es sind
eben doch nicht die besten Voraussetzungen für diesen Beruf, nur
das Gerücht erhält weiterhin den Glauben aufrecht an
Geschichten, die zu widerlegen keiner sich die Mühe macht, und
so hat Giesecke seinen Knüller in der Tasche, nicht alles, von
dem, was ihm in der Küche erzählt wird, versteht er, er
begreift nichts von der Bedeutung der Seite Dreiundzwanzig, weil die
Diener des Baan Cali deren Bedeutung auch nicht so ganz
verstanden haben, aber es wird genügen, um Andeutungen zu
machen, Verdachtsmomente aufzuwerfen, Fragen zu stellen, die
irrelevant sein mögen, aber Interesse wecken werden an
käuflichen Vorstandsvorsitzenden, windigen Aufsichtsräten,
an innovativen Luftblasen und mörderischen Nachfolgekämpfen
und morgen wird er das Ganze ins Fernsehen bringen, ins TV4U.
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Während
Giesecke …
… im Baan Cali die gar nicht mal so stummen Diener zum Reden
bringt, ist Sören Röder kurz nach den Werbern ebenfalls in
der Agentur eingetroffen, er hat den Wagen geparkt, hat einen Pulk
von Leuten abgewartet und sich diesen geladenen Gästen dann wie
zufällig angeschlossen, so ist er hereingekommen, inzwischen ist
die Stimmung ausgelassener, Gläser klingen aneinander, ein Triogibt sein Bestes, Lachen perlt an schlechten Witzen ab, Röder
erkennt auch einige Kollegen von der hiesigen Presse, nicht dass sie
ihm persönlich bekannt wären, aber die Haltung, die Art der
Fragen, das fast immer zu erahnende Notizblöckchen, all das
sieht er ihnen an und hält sich fern von ihnen, er geht zum
Buffet, denn das Buffet ist immer ein geeigneter Ort, wenn man auf
einer Party allein ist, dort fällt er in der Schlange als
Einsamer nicht auf und kann sich gut in Gespräche einklinken,
direkt vor ihm unterhalten sich zwei ältere Herren, erstaunlich
langweilig gekleidet, im Gegensatz zu den anderen wirken ihre Anzüge
nicht schick und extravagant, sondern nachlässig und altbacken,
sie sind auch nicht mehr die Frischesten, ein Hauch von
Existenzialismus muffelt aus dem schwarzen Zweireiher des einen, der
andere wirkt auch ein wenig verstaubt, er sagt gerade, Sie wissen ja,
wie das ist, im großen Senat ist ein C3-Professor eigentlich
schon kein Mensch mehr, der andere lacht, und denken Sie erst an die
armen Schweine, die jetzt nach W entlohnt werden, die müssen
schon einige Kinder in die Welt setzen, um gut leben zu können,
ja, oder sie müssen wirklich hart arbeiten, augenscheinlich,
denkt Röder, sind sie beide Menschen, gute, alte C4-Professoren,
während der eine sich ungeschickt ein Lachsröllchen auf den
Teller hebelt, fragt der andere, und, haben Sie Ihren SFB-Antrag
inzwischen durchbekommen, für Röder hört sich das nach
einer rhetorischen Frage an, offensichtlich weiß der Fragende,
dass sein Kollege noch auf die Gelder wartet, einfach eine Spitze
scheint er loswerden zu wollen, von Mensch zu Mensch, dem anderen
gefriert sein Lächeln, nein, noch nicht, muss er bekennen, Röder
wendet sich ab von den beiden, überlässt sie ihren
Sticheleien in den Gefilden der hehren Geisteswissenschaften
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