Pitch (German Edition)
rabenartig stakst er die Treppe hinauf, leicht hinkend ist
sein Gang, der etwas schweres, fast schwermütiges hat, die
Blässe des Gesichts und das weiße Hemd, das unter Mantel
und Jackett hervorblitzt, verleihen ihm etwas Elsternhaftes, guten
Abend, sagt Altenberg, eine Stufe unter ihr innehaltend, er streckt
ihr die Hand herauf, nickt seinen Mitarbeitern Schecht und Gellert
zu, Altenberg, mein Name.
80
Mit
hochrotem Kopf …
… kommt
der Mann auf Professor Dr. Uwe
Zöller zu, er kennt ihn, er weiß es, er weiß nur
nicht mehr woher, ach ja, doch, natürlich, einer seiner
Absolventen, das muss aber schon länger her sein, der hatte doch
über Schlegels Athenäums-Fragmente geschrieben …
oder war es über Novalis‘ Christenheit oder Europa gewesen
… es will ihm nicht mehr einfallen, wie heißt der bloß,
und jetzt will der vermutlich noch ein Gespräch mit ihm
anfangen, mal zu Schlick wenden oder einfach weggucken, einfach nicht
bemerken, wie heißt der nur, und wie war das noch,
Güterhändler, Landmäkler, Findling, richtig, der war
in seinem Kleist-Seminar gewesen, gelacht hatten die Kommilitonen
über den schon damals unsicher Stammelnden, aber er war nicht
untalentiert gewesen, Zöller hatte ihm sogar die Promotion
angeboten, die aber hatte der Unsichere bereits nach einem Jahr
abgebrochen, hier also ist er gelandet, jetzt schaut sich der Lange
mit irrendem Blick das Buffet an, dreht sich um, mit einem Gesicht,
das zwischen erregter Röte und fast schon kränkelnder
Blässe schillert, er sagt, oh, Herr Professor, Sie hier,
natürlich, sagt Zöller betont wohlwollend, und Sie sind
auch noch hier, fragt er den ehemaligen Studenten zurück,
vorgebend, dass er wisse, was aus seinem ehemaligen Zögling
geworden sei, wie ist es denn so, macht Ihnen die Arbeit Spaß,
Zöller weiß, dass er die Frage eigentlich gar nicht hätte
stellen dürfen, ein Gespräch wird nun unausweichlich sein,
aber es ist geschehen und der andere darf nun frei von der Leber weg
auf ihn einreden, Sie wissen ja, wie das ist, mal so, mal so, gute
Zeiten, schlechte Zeiten, aber prinzipiell ist die Werbetexterei OK,
sagt Wieheißterdochgleich, toll sogar, wenn man‘s ganz
genau nimmt, ein Fetzen Lachs klebt dem Langen am Mundwinkel, wie
eine Nacktschnecke fährt die Zunge aus dem Mund und leckt das
Geräucherte weg, als Texter fühlt man sich immer ein
bisschen wie Dante, der von Vergil eine Unternehmensführung
durch die Schöpfung Gottes erhält, man erhält Einblick
in alle Branchen, lernt die unterschiedlichsten Typen
kennen, heute schreibt man mal für die Industrie, morgen für
die Pharmabranche, mal für die Textilwirtschaft oder für
Banken, abwechslungsreich ist das, sehr abwechslungsreich, sagt der
Lange, dessen Gesichtsfarbe sich wieder etwas normalisiert hat,
schönschön, das klingt interessant, sagt der Professor,
dann haben Sie ja die richtige Entscheidung getroffen, er macht eine
Pause, er würde gerne den Angesprochenen beim Namen nennen, doch
der will sich immer noch nicht einstellen, ja, absolut, sagt sein
Gegenüber, nein, vor allem, wenn man bedenkt, welche
Arbeitsbedingungen, man hier geboten bekommt, gut, man wird nicht
reich, aber man kann seine Zeit ziemlich frei einteilen, Zöller
nickt, aber er denkt, ja, red du nur, von morgens acht bis abends
zehn kannst du dir raussuchen, wann du deine Arbeit machst, tja, sagt
er laut, dann kann man Sie ja nur beglückwünschen, er will
sich abwenden, aber so schnell lässt sich der Andere nicht
abweisen, ja, vor allem, und das geht mir schon lange durch den Kopf,
wenn man bedenkt, dass die heutigen Werbeagenturen moderne
Sprachschulen sind, so wie die Dichterzirkel des Barocks, wie bitte,
fragt Zöller, hat er sich da verhört, oder hat
Wieheißternur sich gerade zum direkten Nachfahren von Opitz,
Zesen, Harsdörffer & Co stilisiert, wie, bitte, meinen Sie
das, fragt Zöller, nun, sehen Sie, antwortet der Andere und
wirft sich ein wenig in Pose, die Emblematik, das Zusammenspiel von Pictura und Scriptura ,
von Bild und Epigramm, mit der Pointe, die das Bild zu einem witzigen
macht, indem auf einmal eine neue Perspektive der aufgebauten
Erwartungshaltung eine völlig neue Bedeutungsebene öffnet,
all das findet sich in einer guten Anzeige wieder, der Ex-Student hat
sich nun richtig in Rage geredet, er scheint noch einmal ein paar
Zentimeter gewachsen zu sein, ach ja, sagt der Professor, das klingt
ja, ungemein spitzfindig, wie, fragt er sich, kommt er nur aus
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