Pitch (German Edition)
Beobachter im Dienste von
Onkel Sepp und der Data AvaNew, er legte Listen an mit Leuten, die
gut waren, sich ins Zeug legten und gehalten und gefördert
werden müssten, und Listen mit den anderen, die gerne mal eine
Stunde mehr aufschrieben, wenn sie gar nichts zustande gebracht
hatten, mit denen, die in der Agentur eine ökologische Nische
gefunden hatten, so wie dieser Anselm Hoffmann, der sich gerade
verdächtig dicht an die Serpent herandrückte, aber auch
dieser Jo Neuhäuser, den hatte er auch auf die Liste gesetzt,
weil dieser Schnösel das meiste an andere abgab und dann als
seine Leistung verkaufte, was andere zuwege gebracht hatten, es
wundert ihn, dass Jo heute schon draußen ist, Bernd geht zur
Bar, dort steht die Schweikert, sie beachtet ihn nicht, er sie schon,
aus den Augenwinkeln, sie ist eigentlich eine ganz hübsche, hat
mit ihrem wilden Dutt, aus dem einzelne Locken heraushängen,
etwas gewollt hexenhaftes, die, denkt Bernd, sucht wohl gerade nach
einem Teufelchen, die Schweikert stößt sich energisch vom
Tresen ab und geht in Richtung Ferdi, der sich von Altenberg
verabschiedet, Onkel Sepp pfeift seinen Tross zusammen, die Herren
Schecht und Gellert und seine Kofferträger, in Formation
marschieren sie zur Tür, kurz stehen sich Bernd und Onkel Seppl
direkt gegenüber, sie schauen sich an, Bernd nickt, wie ein
Angestellter seinem neuen Chef zunickt, und Altenberg ignoriert das,
wie Chefs mitunter Leute ignorieren, die zu weit unter ihnen stehen,
wie die wilde Horde rauschen sie an ihm vorbei, der Unaussprechliche
hat den Blocksberg verlassen, jetzt können die kleinen Geister
wieder befreiter feiern, und dass tun sie, und für manche von
ihnen, da würde Bernd wetten, wird der Abend mit der Feier nicht
enden, zum Beispiel für Alex und Iris, von der er immer glaubte,
sie hätte was mit Neuhäuser, aber auch Anselm scheint bei
der Serpent ein Stück vorangekommen zu sein, dicht schlängelt
sich die dralle Schlange an den langen Äskulapstab, sehr gut,
Anselm, wenigstens irgendwo machst du Fortschritte, das wird die
Vereinigung zweier Scheus, wenn‘s denn klappt, tja, und dann
die Schweikert, die scheint doch tatsächlich Ferdi anzugraben,
hat ihn schon richtig an die Wand gedrängt, guck mal, der Alte
kann sogar wieder schmunzeln, setzt schon wieder sein verlegenes
Clownsgrinsen auf, huppsa, ist ja auch kein Wunder, die Schweikert
hat doch tatsächlich ihre Hand in seinem Schritt.
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Die
Tragik ihres Lebens …
… war,
dass ihre zarte Seele sich in der Unform eines fetten Leibes
verkörperte, keine unbeschwerte Zeit war ihre Kindheit gewesen,
sondern ein Spießrutenlauf, von Geburt an, mit knapp über
fünf Kilo war sie schon fett zur Welt gekommen und immer füllig
geblieben, Mops, Molli, die Dicke hatten sie selbst ihre Eltern
genannt, Melanie Pomene, das Pummelchen, echte Freundschaften zu
Schulkameraden hatten sich so nicht entwickeln können, genauso
wenig wie wahre Liebe zu sich selbst, ein gespaltenes Verhältnis
hat sie zu sich aufgebaut, und beständig ist die Kluft im Laufe
der Jahre gewachsen, mit jeder Diät, die sie sich, oder ihre
Eltern ihr zugemutet haben, nie hat sie abgenommen, oder wenn, dann
nur wenige Pfunde, die sie durch neuerliche Fressattacken bald wieder
auf ihren Hüften hatte und meist noch einige mehr, so war es die
Schulzeit über gewesen, bis weit in die zwölfte Klasse
hinein, zu diesem Zeitpunkt zwar nicht mehr wegen ihres Gewichts
gehänselt, aber höhnisch beäugt, verächtlich
begutachtet und hinter ihrem Rücken Mellie Pummelle oder auch
nur Pummellie genannt, da hatte sie bereits einen Leibesumfang
gehabt, den ein ausgewachsener Mann nur mit Mühe umfassen hätte
können, keuchend wuchtete sie ihr Gewicht die Treppen hinauf ins
Klassenzimmer und meist verrückte sie die Tische, wenn sie
versuchte, sich durch die Reihen zu ihrem Platz zu schieben, in der
Dreizehnten schließlich gelang ihr die Wende, und diese Wende
war zugleich der Abschluss ihrer Schulzeit, sie hatte sich für
die Theater AG gemeldet, und natürlich wurde sie von allen
anderen Teilnehmern belächelt, ausgerechnet sie, sie wollte
jetzt ihre ganze Masse auch noch auf die Bühne bringen, sich
dort in ihrer Fettheit präsentieren, sich zur Schau stellen, es
fehlte nicht an Sticheleien, die auch noch als wohlmeinende
Ratschläge verstanden werden wollten, von diesem unseligen
Auftritt doch abzulassen, nichts konnte Mellie Pummellie von ihrem
Glauben an die eigene Berufung abbringen,
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