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Pitch (German Edition)

Pitch (German Edition)

Titel: Pitch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weski
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tatsächlich
verstummten in der Folge zumindest die bissigen Kommentare aller
anderen Mitglieder der Theater AG, mit Ausnahme vielleicht von
Jennifer Schmidt, die allgemein als Schönste des Jahrgangs
angesehen werden durfte, sie konnte mit Schmähungen nicht hinter
dem Berg halten, was jedoch darauf zurückzuführen war, dass
ihr Mellie die Hauptrolle des Stücks weggeschnappt hatte, wenn
man mal unterstellen wollte, dass ein derartiges Walross überhaupt
in der Lage war, einer solch flinken Gazelle irgendetwas wegzuschnappen , tatsächlich war es so gewesen, dass
Jennifer, überzeugt von ihrem Talent und ihrer Ausstrahlung,
blendend aussehend und fantastisch hergerichtet, leider aber wenig
textsicher, bei der Probe Anspruch auf die Hauptrolle erhoben hatte,
jedoch mit der Rolle der koketten Yvette abgespreist worden war,
später sagte sie, dass der Part ohnehin besser zu ihr gepasst
habe und eigentlich auch viel bedeutsamer sei, als die meisten
annähmen, wobei sie offen ließ, ob für das Stück
oder nur für sie selbst, geglänzt aber hatte unnachahmlich
und unvergesslich Melanie Pomene als Mutter Courage, der vom Krieg
fett gewordenen Marketenderin, schon bei der Probe hatte sie der
unvorbereiteten Jennifer den Text souffliert, frei, selbst ein wenig
heruntergekommen, gekleidet in sackartige Gewänder, mit strähnig
fettigen Haaren, und so überzeugend hatte sie gewirkt, dass der
Leiter der Theater AG anschließend seine Schüler fragte,
nun, was meint ihr, wer soll die Courage spielen, und so hatte sie
die Rolle bekommen, und sie hatte sie ausgefüllt, sie so
gespielt, dass die Zuschauer hatten lachen müssen, aber auch
weinen, und beinahe weinend waren sie auch aus dem Stück
herausgegangen, vor allem aber staunend, überrascht und bewegt,
weil sie etwas erlebt hatten, was sie für gewöhnlich nur
beim seltenen Schauspielbesuch in der Landeshauptstadt erwarten
durften, ungeheuer präsent hatte Mellie agiert, ihre Massen von
Fett schlotternd über die Bühne geschleppt, dann wieder
fast behände hüpfend über bebende Bretter, eiapopeia ,
hatten die da Augen gemacht, von den Socken waren sie gewesen,
stürmisch applaudiert hatten sie der Vettel mit den fettigen
Haaren, und kaum war die Schule aus gewesen, sah man sie auch nicht
mehr, auf Jahre nicht, in die Hauptstadt war sie gegangen, auf die
Schauspielschule, nach Frankreich, ins Ausland, auf die Ochsentour,
dann war sie zurückgekehrt auf heimische Bühnen,
gravitätisch hatte sie ihrem Namen einen Accent hinzugefügt,
fortan war sie die Pomène, die einzige Berühmtheit ihres
Jahrgangs, der mitsamt seiner Jennifer Schmidt in der
Bedeutungslosigkeit zehnjährig veranstalteter Klassentreffen
versunken war, auf denen man begleitenden Lebenspartnern von
Klassenkameraden weiszumachen suchte, wie gut man sich mit der Pomène
verstanden habe, mitunter gaukelte einer anderen gar vor, er habe
noch Kontakt und müsse Mellie mal wieder anrufen, diese aber
logierte von vermeintlichen Telefonanrufen ungeliebter
Klassenkameraden unerreicht mal hier, mal da und begeisterte
gleichermaßen Publikum und Kritiker, die eine Formel gefunden
zu haben glaubten für das Geheimnis ihres Erfolgs, die Diskrepanz , die Diskrepanz zwischen äußerer
Erscheinung und innerer Ausstrahlung sei es, die jede der von ihr
verkörperten Charaktere präge, manche sprachen auch von
einer Zweistimmigkeit, die sich in einer Figur stets selbst
kommentiere und sie so um eine Bedeutungsnuance erweitere, die des
Kippens nämlich, etwa bei ihrer Stuart, so sehr man bereit war,
über ihre in langer Haft feist gewordene Maria Stuart
dreieinhalb Akte lang zu lachen, sosehr kippte die Stimmung im Streit
der Königinnen zu ihren Gunsten, da stand sie dann einer
spindeldürren Elisabeth gegenüber und schmetterte ihr im
Namen aller Dicken ein auch Schlanke erschütterndes Ihr habt
an mir gehandelt, wie nicht recht ist entgegen, eine geschlagene,
im eigenen, unförmigen Körper gefangene Kreatur, die für
sich in Anspruch nimmt, ein Mensch zu sein wie andere auch, denn ich
bin eine Königin wie Ihr , sie spielte die Medea so, dass man
es Jason schon nachsehen wollte, sie einer jüngeren und
hübscheren zuliebe verlassen zu wollen, doch dann sprach sie mit
ihrem gar manches seh ich anders an als mancher sonst allen
verlassenen und betrogenen Ehefrauen aus dem Herzen, und die
betrügenden Ehegatten schlossen sich pflichtschuldigst dem
Applaus ihrer Nochehefrauen an, sie hatte insbesondere in
Mütterrollen

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