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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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Händlerin, der sie im Tunnel begegnet waren, hatte beim Schminken und bei der Auswahl der passenden Kleidung geholfen.
    Iwan kam sich vor wie ein Zombel, der sich seine dreckige Visage mit einer Mischung aus Rost und Rattenfett aufpoliert hatte, um sich am Newski prospekt unters Volk zu mischen.
    Ärgerlich nestelte der Digger an seiner Bluse, um die falschen Brüste wenigstens auf gleiche Höhe zu bringen. Der Oberführer prustete los – Iwans hilflose Bemühungen um den richtigen Sitz seines »Busens« waren einfach zu komisch.
    Der hat gut lachen, dachte Iwan. Was für eine Schnapsidee, sich als Frau zu verkleiden. Ich sehe aus wie ein Kastrat von der Pionerskaja . Jeder Trottel sieht doch auf den ersten Blick, dass ich keine Frau bin.
    »Nein, sie passt perfekt!«, verkündete Iwan trotzig. »Gehen wir endlich. Wenn wir noch länger hier rumstehen, hält man mich noch für eine Hure.«
    Angeführt von der »Hure« setzte sich die Gruppe in Bewegung.
    »Und möglichst nicht die Stirn runzeln«, empfahl der Professor von hinten.
    Iwan kochte.
    Die Station Newski prospekt hatte sich verändert. Nicht extrem, aber doch so sehr, dass Iwan ein Anflug von Nostalgie überkam. Vor allem die Spuren des Krieges waren verschwunden: Von dem Lazarett mit seinem Geruch nach Blut und Eiter war nichts mehr zu sehen, keine Soldaten schliefen mehr auf dem Boden, und auch die Feldküche, deren Gestank nach verbranntem Fett sich damals über die ganze Station verteilt hatte, war inzwischen abgebaut worden. Dafür hing nun in der Mitte des Bahnsteigs am Übergang zur Gostinka eine riesige Flagge der Allianz mit der geballten Faust auf graugrünem Grund. Ganz nach dem Motto des Generals: In der Einheit liegt die Kraft. Und wer nicht mitzieht, wird erschossen. Ganz einfach.
    Iwan wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen – jemand hatte ihn in den Hintern gezwickt. Das ging ja gut los. Er fuhr herum mit dem festen Vorsatz, dem dreisten Übeltäter mit dem Ellenbogen die Zähne einzuschlagen. Doch im letzten Moment hielt er inne. Hinter ihm stand der Oberführer und machte ein warnendes Gesicht. Iwan spähte vorsichtig nach rechts und links.
    Scheiße.
    Eine Patrouille von Admiralzen marschierte an den Verkaufsständen auf der anderen Seite entlang. Zwei Soldaten und ein Sergeant in grauer Uniform. Und dahinter … Iwan blinzelte ungläubig. Dann wandte er sich ab und verdeckte sein Gesicht mit dem Kopftuch.
    Sein Herz fing so heftig zu schlagen an, dass man es am anderen Ende der Station hören musste.
    Hinter der Patrouille ging ein mittelgroßer Mann mit schütterem Haar und einem viel zu dünnen Hals, der aus einem viel zu weiten Jackenkragen herausragte. Der Geheimdienstchef der Admiraltejskaja .
    Orlow höchstpersönlich.
    Was für ein Zufall.
    Auf ein Zeichen des Oberführers gingen sie langsam weiter. Wodjanik und Kusnezow hielten sich links von Iwan, um ihn vor Blicken von der anderen Seite zu schützen. Rechter Hand befanden sich Verkaufsstände mit Schmuck und Kosmetikartikeln, die für Iwan aussahen wie Artefakte von einem fremden Stern.
    Orlow blieb plötzlich hinter der Patrouille zurück, rief seinen Leuten etwas zu, wandte sich nach links und steuerte geradewegs auf die Kosmetikstände zu. Iwan blieb stehen. Was tun? Ihm direkt in die Arme zu laufen, schien wenig ratsam. Orlow war ein Profi. Aus der Nähe würde er Iwan mit Sicherheit erkennen.
    Orlow blieb bei den Verkaufsständen stehen und begutachtete die ausgelegte Ware. Die Haarspangen hatten es ihm offenbar besonders angetan. Was wollte er damit? Hatte er womöglich eine Geliebte hier?
    Frauenklunker.
    Davon verstand Iwan nichts. Er hatte zwar des Öfteren solche Sachen von der Oberfläche geholt, doch dort oben war es einfach. Man stopfte das Zeug schnell in einen Sack und machte sich aus dem Staub, bevor einen irgendein Ungeheuer auffraß.
    Orlow wandte sich langsam in seine Richtung, so als hätte er Iwans Blick gespürt.
    Der Digger überwand seinen Widerwillen und trat an die Auslage heran. Der Händler, ein glatzköpfiger Greis mit tiefen Augenringen und gefurchter Stirn, lächelte ihm freundlich zu. Er öffnete den Mund, um die »Kundin« mit wohlfeilen Sprüchen zum Kauf zu animieren, und … hielt plötzlich inne. In den Augen des Mannes las Iwan sein eigenes Todesurteil. Er hatte doch gleich gewusst, dass diese Maskerade auffliegen würde. Nun stellte sich auch der Oberführer neben ihn. Aus seinem kurzen, angespannten Kopfnicken las Iwan heraus, dass

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