Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter
darauf reinfällt.
»Danke«, sagte Iwan leise und drehte sich um.
Während er davoneilte, spürte er, wie der Blick des Soldaten auf seinem Hintern lastete.
Schwein gehabt.
Aus dem Augenwinkel sah Iwan, dass auch Orlow bereits zahlte, und legte noch einen Zahn zu.
Erst später begutachtete Iwan seinen Einkauf, der ihn so viele Nerven gekostet hatte. Es war ein knallroter Lippenstift in einer noblen Metallhülse.
»Der ist ja edel«, sagte Schakilows Frau Nastja vergnügt, als sie das Geschenk entgegennahm. »Tausend Dank! Lass dir ein Küsschen geben.«
Geschmeichelt hielt Iwan ihr die Wange hin. Im Unterschied zu dem hünenhaften Schakilow war Nastja einen halben Kopf kleiner als er. Eine zierliche Brünette. Ihre Lippen fühlten sich weich an.
Nastja streichelte mit dem Handrücken über die gepuderte Wange des Diggers.
»Also wirklich, Wanja, wie hübsch du bist.«
Iwan hüstelte. Der Oberführer begann zu kichern.
Im Raum duftete es nach Essen.
Schakilow wohnte mit seiner Frau und seinem eineinhalbjährigen Sohn in einer der unzähligen Sperrholzbaracken an der Stirnseite des Newski prospekt . Der kleine Witalik krabbelte am Boden und spielte mit einem bunten Gummifisch. Er steckte ihn in den Mund, sabberte ihn ordentlich ein und ließ ihn dann über den Boden »schwimmen«. Das alles tat er mit todernster Miene.
»Wo ist Sascha?«, fragte Iwan.
»Irgendwas erledigen. Aber er kommt bald zurück. Willst du dich nicht umziehen?«
Iwan sah an sich herab. Gelbe Bluse, grauer Rock, violette Strumpfhose mit Rautenmuster. Und dann noch die Kriegsbemalung. Ein Schreckgespenst für jeden Feind. Allein Iwans Anblick in dieser Montur sollte genügen, um Memow zur Strecke zu bringen.
»Ist das denn nötig?«, fragte Iwan.
Schakilow betrachtete Iwan von oben bis unten und machte ein Gesicht, als hätte er einen Neandertaler in Anzug und Krawatte vor sich.
»Ich fass es nicht«, sagte er wahrheitsgemäß.
»Geht mir ähnlich«, erwiderte Iwan und grinste schief.
»Du lebst!«
Im nächsten Moment wurde Iwan von Schakilows mächtigen Armen umfasst und in die Höhe gestemmt.
»Du erdrückst mich ja, Sascha«, röchelte Iwan. »Lass mich wieder runter, du altes Monster.«
Als er wieder auf dem Boden stand, sah er den Digger vom Newski prospekt prüfend an. Der bärenstarke Schakilow sah blass und abgemagert aus. Der Tag, an dem er verwundet worden war, lag beinahe einen Monat zurück, doch er wirkte immer noch angeschlagen.
»Was macht deine Verletzung?«
»Alles im Lot«, antwortete Schakilow mit einer wegwerfenden Handbewegung, doch Iwan wusste sofort, dass das nur die halbe Wahrheit war.
Sie setzten sich zum Tee.
»Was gibt’s Neues?«, erkundigte sich Iwan.
Die Neuigkeiten waren nicht allzu erfreulich, aber auch nicht niederschmetternd schlecht. Nach dem Ende des Kriegs hatte die Allianz sich wie erwartet die Stationen Majakowskaja und Plosch tschad Wosstanija einverleibt. Seit Kurzem ging das Gerücht, Memow wolle Zar Achmet als Verwaltungschef der Ploschtschad Wosstanija einsetzen – als handzahme Marionette zur Wahrung des Scheins für die Moskowiter.
An der Wassileostrowskaja war nach wie vor Postyschew Kommandant. Für einige Stunden pro Tag bezog die Station Strom von der Admiraltejskaja . Zu diesem Zweck hatte man eigens ein Starkstromkabel verlegt. Die befristeten Stromlieferungen waren ein probates Mittel, um die Bewohner der Wassileostrowskaja an der kurzen Leine zu halten.
»Hast du irgendwas von meinen Jungs gehört?«, warf der Oberführer ein. »Wo stecken sie?«
Schakilow blickte den Skinhead überrascht an.
»Du weißt von nichts?«
»Woher denn?«
»Tja. Das ist eine schlimme Geschichte. Äh … also …« Schakilow wusste nicht recht, wie er es dem Skinhead beibringen sollte. »Nach den Massakern an der Wosstanija hatte Memow Ärger mit dem Friedensrat bekommen, du weißt schon, mit diesen Schwätzern in den feinen Klamotten. Von wegen völkerrechtswidriger Überfall und so weiter und so fort. Jedenfalls musste man denen irgendeinen Knochen hinwerfen, um ihnen das Maul zu stopfen. Und das hat Memow getan. Er hat sich darauf herausgeredet, dass es Einzeltaten von Kriegsverbrechern waren. Dazu musste er dem Friedensrat natürlich ein paar Schuldige präsentieren.«
Schakilow sprach nicht weiter.
Der Oberführer sackte in sich zusammen.
»Und da hat er sich ausgerechnet meine Jungs ausgesucht?«, fragte er leise.
»Ja«, bestätigte Schakilow. »Die Skinheads sind nun mal
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