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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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einrastete und sich die Mechanismen der hermetischen Tür in Bewegung setzten. Das Licht der Lampen fiel auf die Gesichter gegenüber und wurde von den Sichtscheiben der Gasmasken reflektiert. Iwan ging in die Hocke und legte das Gewehr auf seine Knie. Jetzt mussten sie fünf bis zehn Minuten warten, bis die innere Tür hermetisch abgedichtet war. Dann weitere zehn Minuten, in denen durch Luftzufuhr ein Überdruck in der Schleuse erzeugt wurde. Erst danach konnten sie die äußere Tür öffnen.
    Nanu. Was sollte das denn werden?
    Sterndeuter machte sich bereits am Hebel der äußeren Tür zu schaffen.
    »Stopp!«, befahl Iwan, stand auf, trat zwei Schritte vor und legte dem Wissenschaftler die Hand auf die Schulter. »Ohne meinen Befehl wird hier gar nichts gemacht, klar? Darauf hatten wir uns geeinigt, oder?«
    Sterndeuter drehte sich um. Er blinzelte, da ihn Iwans Lampe blendete. Mit verständnisloser Miene linste er durch die Sichtscheibe der Gasmaske.
    Tja. Das wird nicht leicht werden, dachte Iwan. Die Truppe ist überhaupt nicht aufeinander eingespielt. Wer weiß, was die Jungs unterwegs alles anrichten.
    »Die Tür da ist noch nicht dicht«, erläuterte Iwan und zeigte auf die innere Tür.
    »Ach so!« Sterndeuter hatte es endlich kapiert. »Tut mir leid.«
    »Gehandelt wird nur auf meinen Befehl«, sagte Iwan und wiederholte damit, was er während der Vorbereitung auf die Expedition schon hundertmal gepredigt hatte. »Wir warten noch.«
    Die nächsten zehn Minuten zogen sich länger hin als die vergangenen beiden Tage.
    Warum tu ich mir das eigentlich an?, fragte sich Iwan mit einem Mal. Diesen ganzen Ärger?
    Er schaute auf die Uhr. Die Zeiger phosphoreszierten grün. Es war so weit.
    »Mach auf«, befahl er dem Grauen. Der nickte.
    Iwan spürte, wie sein Herz die Schlagzahl erhöhte und wie das Adrenalin in seine Adern schoss. Die Dinge in der Umgebung wurden voluminöser, ihre Konturen schärfer.
    Gehen wir’s an.
    Mit bedrohlichem Knarzen öffnete sich die äußere Tür.
    Das graue, wuchtige Bahnhofsgebäude baute sich vor ihnen auf wie ein sprungbereites Monster. Normalerweise mied Iwan voluminöse Bauten, die innen viel leeren Raum boten. Einerseits hatte dies zwar den Vorteil, dass man genug Platz für Manöver in der Gruppe hatte, aber andererseits befanden sich in solchen Gebäuden oft Nester. Und mit den Vögelchen, die darin hockten, war meist nicht gut Kirschen essen.
    BALTISCHER BAHN OF , las Iwan über dem Eingang. Das H war heruntergefallen.
    Sie stiegen die Treppe hinauf – in Gefechtsordnung: Einer lief, der andere gab Deckung. Am oberen Treppenabsatz sammelten sie sich.
    Undurchdringliche, gummiartige Stille.
    »Wir gehen rein«, bedeutete Iwan mit Gesten. »Haltet die Augen auf.«
    Die Bahnhofshalle war riesig. Argwöhnisch spähte Iwan umher. Rechts befanden sich die Reihen der Kioske. Die gegenüberliegende Stirnwand war früher fast vollständig verglast gewesen. Heute glich sie eher einem überdimensionalen Tor. Das Tor zur Eisenbahn-Ewigkeit. An den Stahlstreben, die es vergitterten, rankten dünne Lianen.
    Hinter der rückseitigen Front befanden sich die Bahnsteige. Iwan sah einen grünen, rostigen Zug, der auf einem der Gleise stand.
    Der trübe Himmel erzeugte nur schwache Schatten. Trotzdem stieg der Digger reflexartig über die dunklen Linien, die das Stahlgitter auf den Boden warf.
    »Schau.« Jemand tippte ihm auf die Schulter.
    Iwan wandte sich um. Am Auskunftsschalter verharrte eine Familie von Skeletten. Papa, Mama und zwei Kinder. Nackte Gebeine, an denen Kleidungsfetzen hingen. Neben den Toten lag ihr Gepäck. Jemand hatte die Koffer ausgeweidet. Die Innereien lagen noch immer auf dem Boden verstreut: Kleidung, vergilbt, verstaubt und versteinert. Die Familie war auf dem Weg in den Urlaub gewesen. Oder zur Oma. Oder weiß der Henker wohin.
    Vorwärts!
    Die Digger durchquerten den Wartesaal und liefen etappenweise zu den Gleisen.
    »Nach rechts«, bedeutete Iwan den anderen.
    Dort, ein Stück weiter die Gleise entlang, hatte sich früher das Eisenbahndepot befunden.
    Rostige Züge. Sie standen schon so lange herum, dass sie vergessen hatten, was Menschen waren. Riesenhafte Eisentiere, die ihre schweren Körper hier versammelt hatten, um gemeinsam zu sterben. Doch nicht alle waren gestorben …
    Die Dampflok sah genau so aus, wie der Professor sie beschrieben hatte.
    »Wunderbar!«, rief Iwan. »Prof?«
    »Oje, nein. Das hat keinen Zweck«, erwiderte Wodjanik

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