Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter
völlig unerprobten Mannschaft zu bestreiten, die vom Diggen im Grunde keine Ahnung hatte.
Kusnezow strahlte übers ganze Gesicht. Wenigstens an Enthusiasmus mangelte es den Amateurdiggern nicht.
»Denkt immer an das Wichtigste.« Iwan blickte vom einen zum anderen, lud sein Gewehr durch und sicherte es. »Ihr dürft niemals stehen bleiben. Unter keinerlei Umständen. Habt ihr euch das alle hinter die Ohren geschrieben? Wir feuern kurze Salven und bleiben dabei stets in Bewegung. Wenn wir stehen bleiben, treiben sie uns in die Enge und fressen uns auf. Klar? Ober?«
Der drahtige Skinhead nickte mit einem Gesichtsausdruck, der sagte: »Na logo, ich bin doch nicht doof.« Selbst mit Gasmaske sah er wie ein Arier aus. Sein Maschinengewehr (einRPD und eine Kiste Patronen dazu) hatte er auf die Knie gelegt. Der Graue war mit einer Saiga-Selbstladeflinte bewaffnet, Mischa hatte eine AK-103 mit Kunststoffschaft und Mandela eine Doppelflinte. Damit waren für den Fall der Fälle so ziemlich alle Distanzen abgedeckt.
»Mandela?«, fragte Iwan. »Niemals stehen blieben, klar?«
»Klar.«
»Mischa?«
»Ja. Verstanden.«
»Krassin?«
Der Seemann nickte. Seinen Marinemantel trug er über dem ABC-Schutzanzug. Was soll’s, dachte Iwan, jeder hat eben seine Marotten.
»Grauer, Ober?« Iwan nickte jedem der beiden Skinheads einzeln zu. »Vor dem Aufbruch setzen wir uns kurz.«
Iwan betrachtete seine Männer. Die ersten beiden waren Glatzen, der Dritte ein Jungspund, der Vierte schwarz wie Schuhcreme und der Fünfte ein Säufer.
Ein bunter Haufen, dachte Iwan. Aber nachher, mit den Gasmasken auf dem Kopf, werden wir uns gleichen wie ein Ei dem anderen. Das ist es doch, was die Menschen nach der Katastrophe verbindet: die Gasmaske und der ABC-Schutzanzug.
Die einzigen Expeditionsteilnehmer, die schon Erfahrung an der Oberfläche hatten, waren Iwan selbst und die beiden Skins. Langweilig würde es jedenfalls nicht werden.
»Gehen wir’s an. Gasmasken aufsetzen.«
Ein Gefühl wie unter Wasser. In den Ohren gurgelte es. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen.
»Viel Glück«, sagte Wodjanik. Seine Stimme klang so fern, als befände er sich im Nebenraum.
»Können wir brauchen.« Iwan stand auf und holte tief Luft. »Bato-ontschiki!«
Petersburg, mein Schmerz.
Die halb zerstörte Isaaks-Kathedrale. An den Granitsäulen, die sogar der Druckwelle widerstanden hatten, rankten graublaue Lianen empor. Vielleicht waren sie giftig, mit Sicherheit radioaktiv. Iwan schob sich das Wärmebildgerät vor die Augen. Die Lianen leuchteten tatsächlich. Durch das Gerät betrachtet waren sie blau mit grünlichem Schimmer. Und hinterließen eine unscheinbare, nebelhafte Spur, als Iwan den Kopf wegdrehte …
Da gehen wir lieber nicht hin.
Iwan hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, wenigstens einmal ins Innere der Kathedrale vorzudringen. Alte Leute hatten ihm vorgeschwärmt, wie fantastisch es dort sei. Doch bislang hatte es sich nie ergeben.
»Wanja!«
Iwan drehte sich um und vergaß dabei, die Okulare des Wärmebildgeräts wieder hochzuschieben. Im ersten Moment hatte er den Eindruck, eine Atomexplosion zu sehen. Im Sichtfeld des Geräts erschien ein Armageddon-Mensch, der in einem gelb-rot-grünen Spektrum leuchtete. Iwan schob das Gerät in die Stirn. Die Helligkeitseinstellung dieser Infrarotdetektoren war gewöhnungsbedürftig. Seine Augen brannten.
Anstelle des Armageddon-Menschen sah Iwan nun den Oberführer.
»Was ist?«
»Ich glaube, da geht jemand hinter uns her. Spürst du es auch?«
Sie hatten Glück mit dem Wetter und mit der Jahreszeit. In Sankt Petersburg herrschten gerade die berühmten Weißen Nächte, wenn der Kalender des Professors denn einigermaßen stimmte, was wahrscheinlich war, denn auch Sterndeuters Kalender wich nur um wenige Tage von diesem ab.
»Die beste Zeit, um bis zum frühen Morgen auszugehen und sich an den Brücken fotografieren zu lassen«, hatte der Professor gesagt.
Das mit dem frühen Morgen konnten sie knicken. Die an das Kunstlicht der Metro gewohnten Augen hielten das Tageslicht nicht mal ein paar Minuten aus. Ein schummriges Dämmerlicht dagegen wie jetzt war zum Diggen geradezu ideal.
Es sorgte für ausreichende Helligkeit und blendete nicht.
Eine geniale Erfindung, so ein Wärmebildgerät. Es registriert Unterschiede in der Körpertemperatur von bis zu einem zehntel Grad. Einen Menschen konnte man damit problemlos aufspüren, egal, wie gut er sich versteckte. Das galt
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