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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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Skinhead sich um. Iwan fuhr zusammen. Im ersten Moment war ihm, als starrte ihn ein Affengesicht aus Gummi an.
    Der Schrecken verflog rasch wieder. Nur das heftige Herzklopfen blieb.
    »Endstation«, rief der Oberführer, wieder ganz er selbst. »Alles aussteigen, werte Angehörige der Intelligenz, Ihre Fahrt mit dem Panzerzug ist vorbei.«
    Iwan stand auf, machte einen langen Hals und spähte nach vorn.
    Mist.
    Auf dem Gleis stand ein alter, rostiger Zug und versperrte der Draisine den Weg. Doch das Schlimmste war, dass auf dem Nebengleis der Gegenzug stand. Noch dämlicher hätten sie nicht stehen bleiben können, dachte Iwan. Mannomann.
    Da hatten sich zwei einsame Herzen gefunden.
    Als Fjodor ihnen die Draisine zeigte, hatte er erklärt, dass man sie im Bedarfsfall vom Gleis heben und ein Stück weit tragen konnte. Iwan hatte zustimmend genickt. Kleinigkeit. Was waren schon dreihundert Kilo für fünf erwachsene Männer?
    Wie sich herausstellte: ganz schön viel. Zumindest, wenn man die Kiste über fünfzehn Waggonlängen durch ein Schotterbett schleppen musste. Nicht zu vergessen das Gewicht ihrer eigenen Sachen.
    Die Digger verzichteten darauf, die Lampen einzuschalten. Im klaren Dämmerlicht (Weiße Nächte, ha!) sahen sie auch so genug. Es war hier draußen sogar heller als in der Metro, nur dass das Licht nicht gebündelt war, sondern gleichsam verwaschen, als käme es von überallher und von nirgendwo.
    »Wollen wir sie nicht einfach – dings und zu Fuß weitergehen?«, schlug der Oberführer vor. »Es sind doch höchstens noch …«
    »Über Awtowo ? Spinnst du, Ober?«, wunderte sich Iwan.
    »Oh, Scheiße.« Gewohnheitsmäßig wollte sich der Skinhead am Hinterkopf kratzen und nahm die Hand wieder weg, als er in den Gummi griff. »Du hast recht. Daran hatte ich gar nicht gedacht.«
    Gerüchten zufolge trieben an der Station Awtowo äußerst bizarre Geschöpfe ihr Unwesen. Äußerlich glichen sie Menschen, waren aber keine. Und sie hinterließen angeblich vertrocknete Leichen. Iwan hatte keine Lust, den Wahrheitsgehalt dieser Gerüchte persönlich zu überprüfen. Dann schon lieber die vertrauten Pawlowschen Hunde oder mal ein Hungriger Soldat. Pterodaktylen – meinetwegen.
    Ein bekanntes Übel ist schließlich besser als ein unbekanntes, oder?
    Und selbst, wenn sie durch Awtowo heil durchkommen würden – was erwartete sie dann? Die Schwachköpfe vom Kirowski Sawod und die Paranoiker von der Narwskaja ? Tolle Kombination. Dann fehlte nur noch ihr legendärer Pilot, der romantische Mörder in der Fliegerjacke …
    Nein danke. Dann schon lieber die Draisine schleppen. Schön langsam.
    »Hau ruck!«
    Sie hoben die Draisine vom Gleis und trugen sie. Schon nach kurzer Zeit hatte Iwan das Gefühl, dass ihm gleich die Arme abfallen. Und sinnlos am Rahmen der Draisine hängen bleiben. Wie der Arm der Puppe am Newski-Prospekt.
    Das Laufen im Schotter war äußerst mühselig, da die lockeren Steine unter den Stiefeln nachgaben.
    »Rauchpause«, rief der Oberführer ächzend. »Runter mit dem Ding!«
    Sie stellten die Draisine auf den Boden und machten Rast.
    Iwan hockte sich hin und legte den Kopf zur Seite.
    Nach dem Getöse der Draisine und dem Knirschen der Stiefel wirkte die plötzliche Stille zauberhaft. Iwan konnte sogar hören, wie der Wind sanft über das Gras strich. Oder war es doch das Gras, das die Luft verwirbelte? Wer weiß?
    Wie relativ doch alles ist in dieser Welt ohne Menschen.
    Als wäre mit ihnen jeglicher Bezugspunkt verloren gegangen.
    Wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten, wären wir mit dem U-Boot nach Hause zurückgekehrt. In festlicher Montur, direkt zur Wassileostrowskaja . Wir wären an der Uferstraße ausgestiegen und zu Fuß weitergegangen. Krassin, Krassin. Ach Gott …
    Sie saßen neben dem Waggon mit der Nummer zwölf. Seine Fenster waren fast alle noch heil. Durch das schmutzige Glas konnte man drinnen nichts erkennen.
    Der Oberführer stand auf und ging zum Waggon. Was will er da?, fragte sich Iwan beiläufig, vergaß den Skinhead aber sofort und lauschte wieder der Stille.
    Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Oberführer seine Doppelflinte auf den Rücken schob (das war seine Reservewaffe, sein RPD-Maschinengewehr lag auf der Draisine), sich mit der Hand am Fensterrahmen festhielt, den Fuß auf ein rostiges Rad stützte und sich hochzog.
    »Wasch mich«, schrieb er mit dem Finger auf das schmutzige Fenster.
    Dann sprang er wieder hinunter, ging ein Stück zurück und

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