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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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betrachtete sein Werk.
    Und dann passierte etwas. Iwan spürte das sofort. Als hätte die Luft sich verdichtet. Als hätte sich ein rätselhafter schwarzer Schatten über den kleinen Diggertrupp gelegt. Äußerlich war alles unverändert. Derselbe Ort. Derselbe Personenzug neben ihnen. Dieselben rostigen Haltestangen und Einstiegstreppen. Dasselbe braune Gras, das zwischen den Schwellen spross. Aber es hatte sich etwas verändert. Und zwar eindeutig nicht zum Besseren. Iwan wurde plötzlich klar, dass er den Druck im Hinterkopf schon länger gespürt hatte – als hätte er die Bänder der Gasmaske wieder nicht richtig eingestellt.
    Dieser Druck war ihm schon so zur Gewohnheit geworden, dass er ihn manchmal gar nicht mehr wahrnahm.
    »Wozu das?«, erkundigte sich Iwan, nachdem der Skinhead wieder zurückgekommen war.
    »Was bleibt uns denn, außer Galgenhumor?«, fragte der Oberführer. »Verstehst du, Junge? In der Not flüchtet sich der Mensch in den Galgenhumor.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Mandela.
    »Was?« Der Skinhead wandte sich um.
    »Das verstehe ich nicht«, wiederholte der Schwarze. Mit der Gasmaske sah er aus wie alle. »Warum ist alles so, wie es ist? Warum muss es so sein? Womit haben wir das verdient? Womit sie?« Er sprang plötzlich auf und zeigte mit dem Handschuh auf den toten Zug. »Womit haben sie das verdient? Sie waren auf dem Heimweg. Haben sie irgendjemandem was getan? Waren sie irgendjemandem im Weg? Warum, verdammt, muss auf der Welt immer irgendeine Scheiße passieren? Und warum müssen es immer die ausbaden, die auf den billigsten Plätzen fahren? Warum muss ich an toten Kindern vorbeigehen? Habe ich mich aufgedrängt? Wieso, zum Henker, bin ich überhaupt in der Metro gelandet? Wozu? Habe ich etwa darum gebeten? Habe ich das?«
    Mandela ging auf den Oberführer zu. Der wich unwillkürlich zurück.
    »Was willst du?«
    »Ich? Gar nichts. Hast du in diesen Waggon hineingeschaut?«
    »Ich?«
    Der Schwarze holte plötzlich aus.
    »Nein!«, brüllte Iwan.
    Der Oberführer sprang auf und versuchte, Mandelas Arm abzufangen. Dann stöhnte er und sank auf den Boden. Mandela, der mit dem Knie zugetreten hatte, zog sich schnell ein paar Schritte zurück und nahm sofort wieder Kampfhaltung an.
    War das etwa auch Sambo?, fragte sich Iwan. Wie bei Sterndeuter?
    Im nächsten Moment sprang er. Mandela packte ihn im Flug an der Hand und wich selbst geschickt aus. Iwan bekam einen Schlag an den Kopf, flog ins Leere und rollte reflexartig ab. Verflucht! Er versuchte aufzustehen. Die Erde und der rostiggrüne Waggon verschwammen vor seinen Augen. Der Digger drehte sich um.
    Mandela betrachtete seinen Kontrahenten durch die stoische Gasmaske.
    Dann lockerte er die Schnur und zog seine Kapuze zurück.
    Er griff an seine Maske …
    Nicht!, dachte Iwan.
    … und riss sie sich vom Gesicht, als würde er sich die Haut abziehen.
    Unter dem grauen Gummi kam seine dunkelhäutige, verschwitzte Physiognomie zum Vorschein. Breite Nase, schwarze Pupillen, das Weiße im Auge, das im Halbdunkel leuchtete.
    Mandela atmete tief ein. Seine Nasenflügel blähten sich.
    Der Oberführer rappelte sich auf, schob seine Gasmaske hoch, spuckte Blut und zog sie wieder herab. Er streckte den Rücken durch.
    Mit verblüfften Mienen verfolgten der Graue und Kusnezow das Geschehen.
    »Von einem Neger hättest du das nicht erwartet, was?«, fragte Mandela. »Wenn du wüsstest, wie leicht mir jetzt das Atmen fällt, Ober. Herrlich. Einfach herrlich.«
    »Idiot.« Der Oberführer ging einen Schritt auf ihn zu. »Zieh die Maske an. Bitte.«
    »In dieser Welt muss sich etwas ändern«, sagte Mandela. »Denn so, wie sie jetzt ist, ist das kein Leben. Es ist nur ein Dahinvegetieren.«
    »Na und?«, erwiderte der Oberführer. »Meinst du, dass irgendwas besser wird, wenn du dich mit der radioaktiven Scheiße vollpumpst? Das ist Selbstmord, Mann. Nicht besonders heldenhaft, finde ich. Fang nur noch zu heulen an, damit ich Mitleid bekomme.«
    »Aber gern«, versprach Mandela. »Auf Wunsch der Fernsehzuschauer …«
    »Jura«, rief Iwan leise.
    Er hatte gesehen, wo die Gasmaske des Schwarzen gelandet war, und versuchte, sich langsam und möglichst unbemerkt in diese Richtung zu bewegen. Das Gehen fiel ihm schwer. Sein Kopf dröhnte. Mandela hatte ihn mit einem heftigen Faustschlag niedergestreckt.
    »Was ist los, Iwan?« Der Schwarze stand halb seitlich zu ihm. »Fühlst du dich nicht gut? Sorry, dass ich dir eine verpasst habe. Lass mich

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