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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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auf dem ein dicker grüner Ordner mit verschiedensten technischen Vorschriften lag. Neben dem Tisch stand ein Stuhl.
    Ein zweiter lag umgeworfen auf dem Boden.
    Jetzt ging Postyschew beiseite, stellte den umgekippten Stuhl auf die Beine und setzte sich darauf.
    Bis zu diesem Augenblick hatte Iwan gedacht, dass der breite Rücken des Kommandanten den Generator nur verdeckte. Verdammte Scheiße. So schnell konnten Illusionen platzen. Sprachlos wandte er den Blick zu Postyschew.
    »Und?«, fragte der Kommandant.
    »In welche Richtung sind sie gegangen? Sasonow und seine Leute? Sind sie schon lange weg?« Wenn Sasonow die Diebe verfolgte, konnte er gewiss Unterstützung brauchen. »Stopp. Wir müssen bei der Admiraltejskaja anrufen. Die sollen die Tunnel sperren.«
    »Habe ich schon versucht«, erwiderte Postyschew, kratzte sich am Kinn und sah von seinem Stuhl zu Iwan auf. Der Kommandant schien auf einen Schlag um zwanzig Jahre gealtert. Er lächelte gequält. »Keine Verbindung.«
    »Mit niemandem?«
    »Mit niemandem.«
    Die Sache sah übel aus. Erst jetzt, als er die Überreste der Verankerungen betrachtete, wurde Iwan allmählich bewusst, wie beschissen doch alles in diesem Leben war.
    »Verdammt«, sagte er. »Was wollen diese Arschlöcher bloß mit unserem Generator?«
    Es gibt keine unmotivierten Entscheidungen.
    Es gibt verborgene Wünsche, die früher oder später zutage treten.
    »Wohin jetzt, Chef?« Jegor Gladyschew sah ihn fragend an. Suchend . Natürlich noch nicht so, wie er Iwan ansah – Iwan, Diwan, Dummwan –, doch die ersten Anzeichen blinden Glaubens an den allwissenden Anführer waren bereits zu erkennen. Sasonow ließ sich Zeit mit der Antwort. Auch das hatte er von Iwan gelernt.
    Lass deinen Untergebenen dabei zusehen, wie du eine Entscheidung fällst.
    Lass ihn spüren, wie schwierig das ist.
    Wenn er den ganzen Gedankengang auf deinem Gesicht mitverfolgt, wird ihm klar werden, dass er dazu selbst gar nicht imstande wäre.
    Denn das ist die Wahrheit.
    Die meisten Menschen sind nicht in der Lage, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Sie fürchten sich vor der ungebändigten Kraft, die dem Prinzip »Ich tue, was ich für richtig halte« innewohnt. Ich will es, also tue ich es. Die Menschen haben Angst, Fehler zu begehen, und befürchten, alles nur noch schlimmer zu machen. Das ist schwach und kindisch. Schlimmer noch, es ist dumm! Wer ein Anführer sein will, muss fähig sein, Entscheidungen zu treffen und damit einhergehende Verluste zu akzeptieren. Er muss fähig sein, die Welt nach seinem Willen zu gestalten.
    »In den linken«, sagte Sasonow.
    Zuerst musst du dir von dem Menschen, der du sein möchtest, ein Bild machen, ihn gedanklich skizzieren und formen, als würdest du ihn mit bloßen Händen aus Ton modellieren. Dann musst du dich selbst, der aus Fleisch und Blut besteht, diesem Modell angleichen. Wo nötig, ein wenig abfeilen, wo nötig, ein bisschen Watte unterlegen. Ganz einfach. Und das ist keine Autosuggestion, oh nein. Der schöne Schein ist nur was für Monter! Ich nenne das: sich selbst neu erfinden. Wenn du willst, dass man dich als Machtmenschen wahrnimmt, dann benimm dich auch wie ein Machtmensch.
    Verstell dich nicht.
    Die Leute haben ein gutes Gespür für Unaufrichtigkeit. Wenn du dich aber neu erfindest und tatsächlich ein Machtmensch wirst, wird niemand Betrug wittern.
    »In den linken«, wiederholte Sasonow.
    »Und wenn sie durch den rechten Tunnel getürmt sind?« Gladyschew kratzte sich unter dem Helm. »Was dann?«
    »Dann schauen wir mit dem Ofenrohr ins Gebirge«, antwortete Sasonow und dachte bei sich: Dieser verdammte Hosenscheißer muss immer seinen Senf dazugeben.
    »Aha«, sagte Gladyschew, und als er endlich begriff, öffnete sich abermals sein hässlicher, mit verfaulten Zahnruinen besetzter Mund. »Und … Was machen wir?«
    »Möchtest du vielleicht selbst entscheiden?«, fragte Sasonow honigsüß.
    Diesen Kniff hatte er sich nicht bei Iwan abgeschaut, sondern bei Jakow Orlow, dem Geheimdienstchef der Admiraltejskaja . Die letzte Begegnung mit ihm war Sasonow, nun ja, in nachhaltiger Erinnerung geblieben. »Warum nicht? Entscheide du.«
    Gladyschews Mund klappte zu. Er murmelte etwas Unverständliches, dann sah er Sasonow hoffnungsvoll an: »Dann also in den linken?«
    Sasonow zuckte mit den Achseln. »Hatte ich etwas anderes gesagt?«
    »Verstanden.« Gladyschew nickte. Dann spuckte er geräuschvoll aus, wischte sich mit dem Ärmel über die

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